Geben und NehmenBio für alle: Solidarische Landwirtschaft bleibt Nischenphänomen
Bio-Gemüse ist für alle da – auch für die, die es sich nicht leisten können. Das ist eine der Kernbotschaften der Solidarischen Landwirtschaft. Ob sie sich als Massenphänomen aber wirklich durchsetzen wird, daran zweifeln die Experten.
Vor fünf Jahren gab es noch weniger als 100 Solidarische Landwirtschaftsbetriebe in ganz Deutschland. Heute sind es nach Angaben des Solidarischen Landwirtschafts-Netzwerkes schon 285. Das Prinzip: Der Bauer stellt seine Ernte und Erzeugnisse einer bestimmten Gruppe von Menschen zur Verfügung, die dafür einen monatlichen Beitrag zahlen. Wer mehr zahlen kann, zahlt mehr, wer nicht so viel zur Verfügung hat, zahlt weniger.
Zusätzlich können sich die Mitglieder bei der Ernte einbringen und bekommen so ein ganz anderes Gefühl für das, was später auf dem Teller landet. Der Vorteil für die Bauern: Sie haben jedes Jahr einen festen Geldbetrag sicher, mit dem sie rechnen können. Für Ralf Loges, Dozent für ökologischen Ackerbau an der Universität Kiel, wird es die Solidarische Landwirtschaft allerdings nicht über ein Nischenphänomen hinausschaffen.
Jede Woche neu und anders
Clemens bepackt seine Gemüsekiste in einem alten Stallgebäude, das als Abholort für die Mitglieder dient. Er ist einer der rund 200 Anteilsnehmenden am Krumbecker Hof, der vom Ehepaar Dennis Wachholz und Natalie Adams im zweiten Jahr in der Nähe von Lübeck geführt wird.
In dieser Woche stehen unter anderem auf dem Plan: Gurken, Blumenkohl, Frühkartoffeln, Schnittlauch, Fenchel und Salat. Alles steht in Kisten bereit zum Abholen. Vorab haben die Bauern alle Mitglieder darüber informiert, was in dieser Woche geerntet wurde.
Anteilnehmer Clemens musste sich am Anfang vor allem daran gewöhnen, dass er sich nicht aussuchen konnte, was auf dem Speiseplan stand. Gab es zwei Riesensalatköpfe, dann gab es in dieser Woche eben sehr viel Salat zuhause.
"Dass man sich nicht aussuchen kann, was man isst, ist am Anfang eine große Umstellung. Daran gewöhnt man sich aber."
Katharina, eine weitere Anteilsnehmerin, findet genau das so spannend: Jede Woche ist sie mit Lebensmitteln konfrontiert, die sie selbst vermutlich nie gekauft hätte – Pak Choi oder Spitzkohl beispielsweise.
Geben und Nehmen auf Vertrauensbasis
Auf einer ausgehängten Liste können die Mitglieder sehen, wie viel sich jeder wovon einpacken darf. Überprüft wird das allerdings nicht. Gerade am Anfang gab es deshalb öfter Mails, die darum baten, dass jeder nur die vorgegebenen Mengen einpackt, denn sonst würde es nicht für alle reichen. Das habe sich aber nach einer Zeit eingespielt, erzählt Katharina.
Mitgliedsbeiträge: Jeder wie er kann
Anstatt von festen Preisen gibt es in der Solidarischen Landwirtschaft Empfehlungen: 60 Euro pro Monat für eine Ernte für zwei Personen, das ist der Mittelwert. Clemens und Katharina zahlen beide etwas mehr. Solange er es sich leisten könne, zahle er gerne für so eine Qualität etwas mehr, damit andere, die nicht so viel Geld haben, trotzdem ein Teil des Konzeptes sein können, sagt Clemens.
"Das ist ja genau das – solange ich es mir leisten kann, und auch ein bisschen mehr, dann kann ein anderer, der vielleicht nicht so viel Geld hat, trotzdem dabei sein."
Das ist das Solidarische an der Solidarischen Landwirtschaft. Dem 25-jährigen Gemüsebauern Dennis Wachholz ist es sehr wichtig, dass sich jeder das Bio-Gemüse auf seinem Hof leisten kann. Bio soll für alle da sein.
"Das soll nicht so ein Eliteding sein, weil Bio ist ja nun einmal eine andere Preisklasse als herkömmlich hergestelltes Gemüse."
Dennis und seiner Frau Natalie geht es am Ende nur darum, dass die Kosten abgedeckt sind. Wer dabei wieviel zahlt, ob jemand eigentlich mehr zahlen könnte oder wer sich bei der letzten Gemüseausgabe zu viel genommen hat, das alles interessiert die beiden nicht.
Nichts für Eigenbrötler
Für jeden ist die Solidarische Landwirtschaft jedoch nicht geeignet, sagt Dennis. Denn bei dem Konzept geht es nicht nur ums Wirtschaften, sondern vor allem um die Gemeinschaft, mit der sich der Bauer auch auseinandersetzten sollte. Manche wollen zum Beispiel mehr über den Anbau erfahren, erzählt er.
"Du hast ja eine Gemeinschaft um dich herum. Auch mal Menschen, mit denen du dich auseinandersetzt, denen du erzählst, wie wächst eigentlich eine Karotte."
Dennis kenne Bauern, die darauf eher keine Lust hätten. Theoretisch gäbe es dann für die Bauern die Möglichkeit, die Kommunikation mit den Mitgliedern von anderen Mitglieder leiten zu lassen.
Solidarische Landwirtschaft: Nicht massentauglich
Ralf Loges von der Universität Kiel findet diesen Betriebsweg vor allem für kleinere Betriebe ideal. Die Landwirte könnten einen direkten Kontakt zu den Kunden aufbauen und sie dafür begeistern, wie Lebensmittel eigentlich entstehen. Doch auch wenn die Solidarischen Landwirtschaftsbetriebe immer mehr Zulauf bekommen, geht Ralf Loges davon aus, dass sie ein Nischenphänomen bleiben werden.
Viele Kunden wollen das ganze Jahr über Zugriff auf alle Waren, nicht nur auf das, was gerade in Deutschland wächst, sagt er. Zudem gehe der Beliebtheitstrend immer mehr zu weiterverarbeiteten Waren.
"Der Kunde möchte das ganze Jahr Zugriff auf alle Waren haben, und der Trend geht auch dahin, dass der Kunde mehr und mehr weiter verarbeitete Waren haben möchte."
Dennis und Natalie haben vor allem in ihrem zweiten Jahr sehr viel Zulauf bekommen. Die Warteliste wächst stetig weiter an. Als Dennis eines Tages im Depot nicht mehr alle Mitglieder beim Namen nennen konnte, war klar: 200 Anteile sind für die beiden die Obergrenze.