TiktokDer Algorithmus, der uns süchtig macht
Wem Instagram zu altbacken ist, der ist bei Tiktok. Das soziale Netzwerk ist derzeit auf der Überholspur und zieht seine Userinnen und User extrem in den Bann. Noch mehr, als andere Netzwerke, glauben Tech-Experten, was auch an dem sagenhaft guten Algorithmus liege.
Es ist 23.30 Uhr und Deutschlandfunk-Nova-Reporter Stephan Beuting steht im Flur seiner Wohnung. Er lacht, staunt, wischt – für eine halbe Stunde. Und plötzlich fällt es ihm auf: Er steht in Unterhose da. Das hatte er gar nicht bemerkt, so reingezogen war er in die Videos bei Tiktok. Ein Phänomen, mit er nicht allein ist.
"Es ist 23.30 Uhr und ich stehe im Flur, lache, staune, wische. Tiktok. Eine halbe Stunde stehe ich so im Flur, in Unterhose. Das ist creepy."
China: Vorreiter bei K.I.
Nicht nur Stephan Beuting verliert das Gefühl für Raum und Zeit, wenn er bei Tiktok unterwegs ist. Auch Lasse Krüger geht es so. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Social Media Agentur Performance Marketing Institute. Warum Tiktok so erfolgreich ist, weiß er ganz genau.
Hinter Tiktok steckt die chinesische Firma ByteDance, die sich schon sehr lange mit künstlicher Intelligenz beschäftige, sagt Lasse Krüger. Da es in China kaum Einschränkungen beim Datenschutz gebe und die Bevölkerung so groß ist, könne die künstliche Intelligenz von Tiktok sehr schnell lernen. Der Algorithmus funktioniere deshalb sehr gut, sagt Lasse Krüger.
Der Killer-Algorithmus
In Deutschland nutzen etwa 5,5 Millionen Menschen Tiktok. Was sie schauen, welche Videos sie bis zu Ende laufen lassen, welche sie erneut schauen, welche sie wegwischen, wie schnell sie sie wegwischen, was geliked und kommentiert wird – all das sammelt die App.
Dass wir auf der Grundlage der Daten, die wir auf Plattformen hinterlassen, auf uns zugeschnittene Empfehlungen bekommen, kennen wir unter anderem von Youtube, Facebook, Amazon oder Netflix. Bei Tiktok sei es aber noch einmal mehr, sagt Lasse Krüger. Der Algorithmus sei stärker, und noch mehr auf die persönlichen Bedürfnisse seiner Userinnen und User zugeschnitten als andere Plattformen.
"Der wichtigste Faktor ist, wie lange ich mir die Videos anschauen."
Tiktok registriere sehr genau das Verhalten der UserInnen, sagt Lasse Krüger. Welche Kanäle die NutzerInnen abonnieren, spiele eine Rolle, aber auch die Verweildauer auf einem Video. Wer sich ein Video mehrmals anschaut, bekomme dann mehr aus dieser Kategorie angezeigt. Wer hingegen ein Video frühzeitig abbreche, erhalte in Zukunft weniger solcher Inhalte.
Tech-Journalist Michael Förtsch hat sich genauer angesehen, was ByteDance macht. Neben dem üblichen Scan werden die Videos mit Spracherkennung, Stimmzuordnung, Sprachsynthese, Gesichtserkennung, 3D-Rekonstruktionen aus 2D-Bildern oder auch Visual Question Answering analysiert, sagt er. Die K.I. soll nicht nur einzelne Elemente in Bildern und Videos erkennen, sondern auch deren Kontext verstehen und Fragen dazu zu beantworten.
"Die K.I. soll nicht nur einzelne Elemente in Bildern und Videos erkennen, sondern auch deren Kontext verstehen."
Schattenseite Datenschutz
Was den Datenschutz angeht, sei das natürlich kritisch zu betrachten, sagt Lasse Krüger. Die UserInnen werden immer transparenter. Was mit den Informationen über die eigene Person am Ende passiere, sei oft unklar.