Sieg der TalibanJournalistin: "Die afghanische Armee war nicht gut ausgebildet"
An guter Bezahlung und gutem Training ist bei der afghanischen Armee gespart worden, sagt die Journalistin Waslat Hasrat-Nazimi. Einen zweiten strategischen Fehler datiert sie auf das Jahr 2014.
Die afghanische Armee hat sich In kürzester Zeit faktisch aufgelöst. Noch im Januar 2021 ist der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA davon ausgegangen, dass 307.000 Soldatinnen und Soldaten in der afghanischen Armee ihren Dienst leisten. Waslat Hasrat-Nazimi widerspricht. Die Zahl stimme so nicht, sagt die deutsch-afghanische Journalistin. Sie ist verantwortlich für die Afghanistan-Berichterstattung der Deutschen Welle.
"Das stimmte so nicht. Das war völlig übertrieben. Die Armee war nicht gut ausgebildet. Sie war unterfinanziert."
Allein die USA haben seit 2001 rund 83 Milliarden US-Dollar in diese Armee investiert. Die Ausbildung und Ausstattung der afghanischen Armee sei ohne langfristige Strategie des Westens erfolgt. In gute Rechtsstaatlichkeit sei nicht investiert worden, sagt Waslat Hasrat-Nazimi.
US-Abzugsankündigung bereits 2014
Der 2014 von Barack Obama angekündigte Truppenabzug der US-Streitkräfte habe der afghanischen Bevölkerung ein andauerndes Bedrohungsgefühl vermittelt. Zu jener Zeit plante die US-Regierung allerdings noch, rund 10.000 Soldaten dauerhaft in Afghanistan zu belassen. Waslat Hasrat-Nazimi stellt zwischen US-Abzugsankündigung und Flucht von Zivilisten aus Afghanistan einen Zusammenhang her.
"Ein Abzug der amerikanischen Truppen wurde 2014 verkündet. Es ist kein Zufall, dass dann ab 2015 diese Massenbewegung von afghanischen Flüchtlingen losgezogen ist."
Nun unmittelbar in 2021 hätten die afghanischen Sicherheitskräfte genau verfolgt, wie ein Regierungsmitglied nach dem anderen das Land verlassen habe, sagt Waslat Hasrat-Nazimi. In der Folge hätten sie natürlich keine Lust mehr gehabt, weiterzukämpfen.
"Man hätte diese korrupte Regierung nicht unterstützen müssen, auch nicht korrupte Warlords, die ihre Taschen vollgestopft haben. Das war ein großes Problem."
Zwar sei Präsident Aschraf Ghani angetreten, um der Korruption ein Ende zu bereiten. Im Endeffekt habe er aber alle bitter enttäuscht.
Ein chaotischer Abzug
Auch mit der Art und Weise des Abzugs der US-Armee sei eine große Chance vertan worden. "Die amerikanischen Truppen sind teilweise über Nacht abgehauen, ohne ihren afghanischen Partnern Bescheid zu geben, haben ihren Müll hinterlassen und zum Teil Equipment und Waffen nicht an die Afghanen weitergegeben", sagt Waslat Hasrat-Nazimi.
Manche der afghanischen Soldatinnen und Soldaten sind nach Usbekistan oder Tadschikistan geflüchtet, berichtet Waslat Hasrat-Nazimi. Sie fürchten die neuen Machthaber.
"Alle, die gefährdet sind, weil sie auf der falschen Seite gekämpft haben, versuchen, irgendwie rauszukommen oder verstecken sich momentan."
Unser Bild zeigt Soldaten der afghanischen Armee bei einer Operation gegen die Taliban in der afghanischen Provinz Dschuzdschan am 25.05.2021.