Sexuelle Vorlieben und MedienWie wir herausfinden, was wir mögen
Sex hat alles und nichts mit Hollywood-Filmen oder Jugendzeitschriften zu tun. Julia, Aljoscha Muttardi und Henriette Hell erzählen, wie Medien ihre sexuelle Entwicklung beeinflussen.
Große, stehende Brüste, schlanke Menschen mit glattrasierten Körpern. Dieses Körperideal hat Julia aus der Bravo und anderen Magazinen in ihrer Jugend mitbekommen. Sie hat gelesen, welche Bedürfnisse Männer beim Sex angeblich haben und wie die zum Höhepunkt kommen. Sie sagt: "Es werden in Medien und in Filmen halt sehr unrealistische Körper dargestellt." Im Ergebnis war sie sehr unzufrieden mit ihrem Körper und hat sich sehr viel verglichen.
"Ich habe die Bravo so mit zwölf, 13, 14 gelesen. Da wusste ich noch nicht ganz, dass ich Frauen gut finde. Ich habe es dann erst mit 16 herausgefunden."
Heute ist Julia feministische Influencerin. Mit ihrer Freundin ist sie mit 16 zusammengekommen. Das klare, heterosexuell normierte Bild, das sie als junges Mädchen von Sex hatte, ist ziemlich verblasst.
Die Suche nach Bildern
Sie hat eigene Erfahrungen gemacht und mit ihrer Freundin bewusst nach Filmen gesucht, in denen gezeigt wird, wie Sex zwischen Frauen funktioniert.
"Wir haben später dann, als wir älter geworden sind, so mit 18, haben wir bei Instagram auch ganz viel gesehen."
Eine Unbekannte hat Julia beim Feiern gesagt, dass sie es sehr cool findet, dass Julia offen mit ihrer Beziehung umgeht. Bis dahin postete Julia hin und wieder Pärchenfotos auf Instagram.
Diese Unbekannte sagte, sie denke darüber nach, ob sie vielleicht selbst lesbisch ist. Das hat Julia darin bestätigt, offen über die Liebe und die Beziehung zu ihrer Freundin zu sprechen und sichtbarer zu werden.
"Die Schuld liegt übrigens nicht bei nicht-queeren Menschen. Es ist letztlich, so dass einfach Sichtbarkeit fehlt."
Sichtbarkeit ist für Aljoscha Muttardi nicht die Lösung für alle Probleme. Sie ist für ihn der erste Schritt. Er hat einen safe-space im Internet gefunden, sagt der queere Influencer. Bei den Dreharbeiten zu "Queer Eye Germany" habe er sich wirklich komplett frei gefühlt, ohne sich erklären und rechtfertigen zu müssen.
Er ist überzeugt, dass Menschen queer auf die Welt kommen und sagt: "Sie kommen schwul, lesbisch, trans, auf die Welt. Es ist nicht etwas, was man irgendwann durch Medien für sich entdeckt." Trotzdem könne eine neue, mediale Normalität dazu beitragen, Diskriminierung zu reduzieren.
"Solange queere Menschen nicht hundert Prozent frei sind, überall auf der Welt, solange haben wir keine Normalität erreicht."
Henriette Hell wollte sich nicht damit abfinden, dass viele Männer davon ausgehen, Rein-Raus-Sex reiche Frauen um zu kommen. Auch wollte sie nicht akzeptieren, dass nicht darüber gesprochen wird, dass Frauen so viel seltener beim Sex einen Orgasmus haben.
Sex wird zur Rarität
Also hat sie recherchiert und Bücher über Sex geschrieben – auch über den Orgasm-Gap. Sex sei zwar überall sichtbar und konsumierbar, drohe aber auch deswegen schließlich zu einer Seltenheit zu werden.
"Wir haben einen starken Sex-Rückgang zu verzeichnen. Also die Menschen haben momentan so wenig Sex wie noch nie."
Zu viele Möglichkeiten sich sexuell auszuleben, brächten manche Menschen an ihre Grenzen. Sie ziehen sich in digitale Welten zurück, vermutet Henriette Hell.