SexWie wichtig uns der Bodycount ist

Rica ist es egal, mit wie vielen Menschen man im Leben Sex hat. Stefan ist ähnlicher Meinung. Sexualtherapeutin Julia Henchen erklärt, warum wir manchmal nachdenken sollten, bevor wir nach dem Bodycount fragen.

Rica spricht gerne und offen über Sex. Sie habe auch kein Problem, in privaten Gesprächen die Zahl ihrer Sexpartner zu teilen. Allerdings, so sagt sie, habe die Zahl an sich keine wirkliche Aussagekraft, wie gut jemand sich und seine Bedürfnisse kennt.

Zahl der Sexpartner kann verunsichern

Wer nur mit einer Person schlafe, könne trotzdem ein tolles Sexleben haben und durch offenen Austausch und Kommunikation viel besser über sich Bescheid wissen als jemand mit vielen Bettgeschichten.

"Man kann auch jede Woche einen One-Night-Stand haben und gar nichts über sich lernen, weil man durch die Anonymität gar nicht so weit kommt, irgendwie darüber zu sprechen."
Rica geht offen mit dem Thema Sex um

Die Zahl der Sexpartnerinnen oder -partner von einer Person zu kennen, sei zwar "nice to know", so Rica, könne aber auch zu Unsicherheiten führen. "Wenn es viel mehr sind als bei einem selbst, denkt man vielleicht, der hat einfach so viel Erfahrung, ich kann da nicht mithalten und nicht die Erwartungen erfüllen", sagt sie.

Rica hat wenig Probleme über das Thema Sex zu sprechen

Für Rica spielen ihre sexuellen Erfahrungen aus der Vergangenheit dennoch eine große Rolle. Unabhängig von irgendwelchen Zahlen gilt für sie: "Gute oder schlechte Erfahrungen - alles, was wir über uns selbst lernen, macht uns ja zu dem Menschen, der wir dann heute sind. So ist das auch beim Sex".

Austausch und Kommunikation darüber sei in einer Partnerschaft auf jeden Fall wichtig und eine Voraussetzung, um auch sexuell auf einen Nenner zu kommen.

Bodycount: Hohe Zahl, geringe Bedeutung

Stefan ist sexuell ziemlich aufgeschlossen und hat bisher mit 151 Menschen Sex gehabt, sagt er. Solche Zahlen seien aber überhaupt nicht wichtig und hätten auch nur wenig Aussagekraft, wie ein Mensch zum Beispiel zu Beziehungen stehe. Die Zahl mache ihn weder stolz, er schäme sich aber auch nicht dafür.

"Die Zahl der Sexpartner sagt absolut nichts über Menschen aus."
Stefan

Stefan ist bisexuell. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Männern mit der Auskunft über die Anzahl von Sexpartnern lockerer umgehen als Frauen. Ein hoher Bodycount würde bei Frauen eher das Gefühl auslösen, dass der Typ nur auf Sex aus wäre.

Netz und TV: Alte Stereotype wieder Trend

Mit dem Thema Bodycount gehen die Geschlechter unterschiedlich um, sagt die Paar- und Sexualtherapeutin Julia Henchen. Frauen würde die Zahl eher nach unten korrigieren, Männer nach oben.

Das habe auch mit einem steigenden Trend in den sozialen Netzwerken und im Fernsehen zu tun, wo eher alte Stereotypen vermittelt werden: Die Frau als "Stay-At-Home-Girl", das sich um die Kinder kümmere und das Influencer-Lifestyle-Leben führe. Bei Männern geht es ein bisschen in die Richtung, ein guter Stecher zu sein, sagt Julia.

"Der Trend geht dahin, dass Frauen wieder dieses "Stay-At-Home-Girl" sind, das sich um die Kinder kümmert und den Influencer-Lifestyle lebt. Bei Männern geht es ein bisschen darum: 'Bin ich ein guter Stecher.'"
Julia Henchen, Paar- und Sexualtherapeutin

Hinter diesem Bild, das eher an die 50er-Jahre erinnert, stehe auch ein wachsendes Bedürfnis nach Geborgenheit, Sicherheit, Zugehörigkeit. In diesem Kontext werde ein hoher Bodycount vor allem bei Frauen eher nicht so gerne gesehen.

Intimitäten: Erst überlegen, dann fragen

Manchen Menschen ist es unangenehm, auf Fragen zu ihren sexuellen Aktivitäten und Zahlen zu antworten. Dies sei schließlich ein sehr persönlicher Bereich, darauf offen reagieren sollte nur, wer das auch wirklich möchte.

In Partnerschaften sei das vielleicht noch mal etwas anderes, doch auch hier sollten wir erst mal kurz nachdenken: "Was bringt uns das, wenn wir das erzählen? Was ist das Ziel dahinter? Inwieweit wird uns das vielleicht beeinflussen? Und wie wichtig ist es überhaupt?", sagt Julia.

"Ich würde auch Menschen empfehlen, das genau zu überlegen und das auch mit Partner zu besprechen, bevor man über solche Zahlen spricht."
Julia Henchen, Paar- und Sexualtherapeutin

Prinzipiell gelte für jede Beziehung oder Sexualerziehung: "Man sollte nur das machen, was sich gut und wohl anfühlt", sagt Julia. Aus ihrer Praxiserfahrung weiß sie, dass Menschen es sich gut überlegen sollten, was sie erzählen und was es vielleicht auch beim Gegenüber auslösen könnte.