Sex sells?Weniger Sex in Filmen und Serien seit der Jahrtausendwende
Sex sells. Diese Regel galt lange im Film- und Fernsehbusiness, scheint nun aber nicht mehr uneingeschränkt zuzutreffen. Nicht nur die Häufigkeit von intimen Szenen hat sich verändert, sondern auch die Darstellung.
Statt dürftiger Regie-Anweisungen im Skript, die den Schauspielenden einen Anhaltspunkt liefern sollen, sind heute meist Intimitätskoordinator*innen am Set im Einsatz. Eine von ihnen ist Anne Schäfer.
Sie spricht darüber, warum sie nicht die Sex-Polizei ist, wenn sie gebucht wird und wer den Job besser nicht machen sollte. Mit Eine-Stunde-Liebe-Reporterin Aglaia Dane schauen wir außerdem darauf, warum in Hollywood-Filmen heute weniger Sex zu sehen ist als früher.
Wenig Anweisungen, wenig Koordination
Stell' dich an diesen Punkt, schau' wütend, geh' von links nach rechts. Unter solchen Regie-Anweisungen kann man sich etwas Konkretes vorstellen. Aber was passiert, wenn im Skript steht: Küss' sie leidenschaftlich.
Unter einem leidenschaftlichen Kuss kann man sich sehr viele unterschiedliche Dinge vorstellen. Solche allgemeinen Anweisungen stammen wohl daher, dass man sich in der Film- und Serienbranche lange Zeit keine genauen Gedanken darüber gemacht hat, wie Liebes- oder Sex-Szenen gespielt werden sollen.
Es wurde mehr oder weniger darauf vertraut, dass sich das mit der richtigen Stimmung am Set schon ergibt. Genau das ändert sich gerade aber. Es wird viel darüber diskutiert, ob und wie Sex so gezeigt und gespielt werden kann, dass es am Ende für alle Beteiligten in Ordnung ist.
Intimitätskoordinatoren sollen Sicherheit am Set gewährleisten
Daraus ist ein ganz neues Berufsfeld entstanden: Intimitätskoordination. Anne Schäfer arbeitet seit zwei Jahren in dieser Funktion bei Film-, Serien- und Theaterproduktionen mit. Sie wird dafür gebucht, dass Szenen mit simulierter Sexualität, Intimität, Nacktheit oder sexualisierte Gewalt so gestaltet werden, dass sie nicht nur gut aussehen, sondern sich alle an der Produktion beteiligten Personen damit wohlfühlen. Ähnlich wie das ein Stunt-Koordinator bei Action-Szenen macht.
Auch weil es dieses Berufsfeld erst seit ein paar Jahren gibt, gibt es noch keine einheitliche Ausbildung und der Beruf ist auch nicht geschützt. Im Prinzip kann sich jede Person Intimitätskoordinator nennen. Anne findet das unter anderem deswegen problematisch, weil es bei ihrem Job auch um Sicherheit geht
"Intimitätskoordination ist ein Teil der Arbeitssicherheit. Das ist ein Beruf, der an einem Set ist, um Sicherheit zu gewährleisten.“
Sicherheit bedeutet nicht nur, dass sich die Schauspieler*innen wohlfühlen, sondern auch die Leute in der Regie und hinter der Kamera. Und es bedeutet zum Beispiel auch, dass bestimmte Protokolle geführt werden sollten, damit der Ablauf des Drehs auch später noch nachvollziehbar bleibt.
Warum Anne Schäfer sich nicht als Sex-Polizei versteht und warum in großen Hollywood-Produktionen heute weniger Sex zu sehen ist als früher, darauf blicken wir in der neuen Folge von "Eine Stunde Liebe".
*Das Bannerbild: Eine Szene aus der französischen Miniserie "Split" von Iris Brey mit den Darstellerinnen Alma Jodorowsky und Jehnny Beth.