Me-Time für die psychische GesundheitSelfcare: Entscheidet bewusst über eure Zeit!

Ob ihr es nun Me-Time nennt, Auszeit oder Introspektion: Sich Zeit für sich selbst zu nehmen, in sich reinzuhören und sich zu fragen, welche Bedürfnisse man hat, ist extrem wichtig für die geistige und körperliche Gesundheit.

Wenn Bastian Willenborg Me-Time braucht, dann lässt er Frau, Kinder und Hunde zu Hause, geht alleine spazieren, hört neue Songs, setzt sich einfach mal irgendwo hin und nimmt sich sonst nichts weiter vor.

Das muss nicht jeder und jede so machen. Für uns alle ist es aber wichtig, aktiv zu entscheiden, was wir mit unserer Zeit anfangen, sagt der Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie – ob wir die Zeit dann für uns alleine nutzen oder nicht.

"Zu entscheiden, was man mit seiner Zeit macht, sollte ein aktiver Prozess sein."
Bastian Willenborg, Psychiater und Psychotherapeut

Seinen Patient*innen empfiehlt er, sich genau selbst zu beobachten und sich zu fragen:

  • Wo stehe ich gerade?
  • Was möchte ich gerade?
  • Wo möchte ich hin?

Wir sollten aus unseren Routinen mal aussteigen, empfiehlt er, und überprüfen: Sind diese Routinen für mich denn auch in Ordnung? Auf dieser Basis lässt sich gut entscheiden, ob wir eine Pause brauchen und lieber Zeit für uns haben wollen oder doch lieber Freunde treffen oder etwas unternehmen.

Damit es mit der Me-Time klappt, kann man sich auch regelmäßige Auszeiten nehmen – etwa immer sonntags zum Spazieren in den Wald gehen. Grundsätzlich findet Bastian Willenborg das auch gut. Aber auch hier rät er: Selbst diese Routinen sollten wir immer wieder überprüfen.

Selbstreflexion ist Selfcare

Wer sich keine Zeit nimmt, um sich selbst zu reflektieren, der läuft Gefahr, den Kontakt zu sich selbst und seinen Bedürfnissen zu verlieren, sagt der Psychiater. Und wer gegen seine Bedürfnisse lebt, für den kann der Alltag immer anstrengender werden. Wir erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen wie etwa Burn-out-Syndrom, sagt Bastian Willenborg.

Wenn er in der Klinik Patient*innen betreut, die einen sehr hohen Anspruch an sich selbst haben, viel Leistung von sich fordern, einen starken inneren Antreiber oder eine innere Kritikerin haben und sich keine Zeit für sich selbst nehmen, dann empfiehlt er ihnen, diese Reflexion einzuüben:

Me-Time für Einsteiger

Er fragt sie, wann am Tag die Zeit ist, zu der am wenigsten externe Anforderungen an sie herangetragen werden. Der Tipp dann: Stell dir zu dieser Uhrzeit einen Wecker und nimm dir Zeit – und wenn es nur fünf Minuten sind. Atme zunächst dreimal tief durch und überlege dann kurz wo du stehst, was du brauchst, wie du dich fühlst, ob alles passt oder du etwas anpassen möchtest.

Das hat auch einen ganz praktischen Nutzen, ergänzt der Psychiater: Wenn wir in Phasen, in denen wir viel zu tun haben, nicht zwischendurch auch mal kurz runterfahren, dann lässt etwa die Konzentration nach oder wir sind nicht mehr so kreativ.

"Warum Sie da sind, wo Sie sind, liegt nicht an diesem Antreiber. Das ist nicht der Grund. Sie sind dort, obwohl Sie diesen Antreiber haben, nicht weil Sie diesen Antreiber haben!"
Bastian Willenborg, Psychiater und Psychotherapeut

Denjenigen, die daran zweifeln und die sich sorgen, dass Auszeiten ihre Leistung mindern, sagt er klar: Nein! Wer glaubt, dass er nur erfolgreich ist und da, wo er ist, weil er oder sie diese innere Antreiberin oder den inneren Kritiker hat, liege falsch. Nicht weil die da sind, schaffen diese Menschen es, sondern trotzdem, so der Psychiater.