SehnsuchtWenn wir keine engen Freundschaften haben
Enge Freundschaften zu haben, ist vielen besonders wichtig in ihrem Leben. Aber nicht alle Menschen haben eine beste Freundin oder einen besten Freund. Die Sehnsucht danach kann, wie bei Annika, sehr groß sein. Emotionscoachin Carlotta Welding beschreibt, was es für Menschen bedeuten kann, keine enge Freundschaft zu haben.
Annika ist 28 und arbeitet als Projektmanagerin in einer Werbeagentur. Sie hat sich lange eine enge Freundschaft gewünscht. Schon in der Schule habe sie nicht so leicht Freunde gefunden, erzählt sie. Wenn dann eine Freundschaft endlich mal entstand, war sie auch schnell wieder vorbei.
"Das war oft sehr schwierig für mich, ich hatte oft so ein Neidgefühl."
Sie hat angefangen, an sich selbst zu zweifeln und sich gefragt, ob sie anders sei, irgendwie komisch oder etwas nicht mit ihr stimme. Phasenweise habe sie auch versucht, sich selbst zu verändern. Das Grübeln hat ihr aus der Situation nicht herausgeholfen. Im Gegenteil hat es sie in eine Depression geführt.
"Liegt es an mir? Bin ich nicht liebenswert?"
Erst durch eine Therapie hat sie verstanden, dass es nicht an ihr liegt. "Ich bin zwar nicht perfekt, aber ich muss mich nicht für andere verbiegen", kann sie heute sagen.
"Es war für mich ein Prozess zu lernen, dass ich, aus welchen Gründen auch immer, ein Problem mit Freundschaften habe."
Trotzdem war es nicht leicht für sie, über Facebook-Gruppen oder eine Art Freundschafts-Tinder-App Menschen zu finden, mit denen sie eine enge Freundschaft aufbauen kann. Heute kann sie sagen, dass es für sie auch wichtig war, sich zu akzeptieren, wie sie ist und auch, dass sie eben nicht viele Freunde hat.
"Ich mag mich so, wie ich bin, und ich will mich nicht für Freundschaften verbiegen, weil dann sind es keine Freundschaften."
Doch seit einem Jahr hat Annika eine enge Freundschaft und seit einem halben Jahr sogar eine zweite. Diese haben sich aus früher eher oberflächlichen Freundschaften aus der Schulzeit zufällig wieder neu entwickelt. "Ich bin super dankbar für die beiden", sagt Annika.
"Ich würde gerne mal eine Geburtstagsparty schmeißen, aber hey, wen soll ich einladen? Wir wären dann zu dritt."
Tipps von Annika zu Freundschaften:
- Im Kontakt bleiben, dran bleiben
- Aktiv werden, neues Hobby ausprobieren
- In Social Media die Augen aufhalten
- Sich zugestehen, Hilfe zu brauchen
- Sich selbst erkennen und die Situation akzeptieren, keine Freundschaften zu haben
"Ich wünsche jedem Menschen, Freundschaften zu finden. "
Extrovertierte finden leichter Freunde
Warum manche Menschen leicht Freundschaften schließen und andere eher schwer, liegt zunächst daran, ob wir eher ein introvertierter oder extrovertierter Mensch sind, sagt Emotionscoachin Carlotta Welding. Das sei eines der stärksten Persönlichkeitsmerkmale, die wir in die Wiege gelegt bekommen.
"Der extrovertierte Typ Mensch hat es leichter, Freundschaften zu schließen."
Die Sehnsucht nach einer engen Freundschaft und der Wunsch, sich einem anderen anzuvertrauen, zeigt zunächst, dass wir ein gesunder Mensch sind, sagt Carlotta Welding. "Das ist okay, zu vermissen, dass man keine enge Freundschaft hat", weil wir soziale Wesen sind und Bindung das Wichtigste ist, was wir im Leben brauchen, erklärt die Emotionscoachin.
Freundschaft bedeute, dass wir jemanden finden, bei dem wir unser Innerstes nach außen kehren können, sagt Carlotta Welding. Das beruhe aber auch auf Gegenseitigkeit, also der andere möchte eben auch sein Innerstes mit uns teilen. Um eine Freundschaft in Gang zu setzen, sind Anteilnahme und Empathie eine wichtige Voraussetzung.
"Man muss sich auch vor Augen führen, dass die allermeisten Menschen nicht zu einem passen – als Freund nicht und auch nicht als Partner. Das ist so, weil Menschen so individuell sind."
Weil wir so individuell sind, müssten wir einfach viel ausprobieren, auch mal in der Nachbarschaft gucken, in Vereine gehen, die Menschen ansprechen. "Man kann nicht erwarten, dass der erste Schuss ein Volltreffer ist."
- 66 Prozent der Bevölkerung haben einen besten Freund oder eine beste Freundin.
- In einer anderen Studie heißt es: Knapp jeder 10. (8 Prozent) hat überhaupt keinen besten Freund oder keine beste Freundin.
- Viele Freundschaften entstehen im Job.
- Die Corona-Pandemie hat Freundschaften in Mitleidenschaft gezogen.
Hilfe
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