Flüchtlingspolitik"Sea Watch 3": Solidarität mit Carola Rackete
Die deutsche Kapitänin Carola Rackete ist ohne Erlaubnis in den Hafen der Insel Lampedusa eingefahren und hat angelegt. Mit an Bord der "Sea Watch 3" sind rund 40 Flüchtlinge. Carola Rackete wurde verhaftet und soll befragt werden. In Deutschland gibt es viel Solidarität mit der Kapitänin: auf der Straße, von Promis und aus der Politik. Doch was es endlich braucht, ist ein gemeinsames Konzept der EU, so Volker Finthammer aus unserem Hauptstadtstudio.
Die "Sea Watch 3" ist ein Rettungsschiff der deutschen Hilfsorganisation Sea Watch. Nach dem Anlegen des Schiffes im Hafen von Lampedusa wurde die Kapitänin Carola Rackete festgenommen und steht seitdem unter Hausarrest. Die 31-Jährige soll einem Richter vorgeführt werden.
Unser Korrespondent Nikolaus Nützel hat den Stand vom Abend des 1. Juli – insbesondere die italienische Sicht auf den Fall. Zwar gebe es auch in Italien Aktivisten, die Carola Racketes Anliegen unterstützen, die Reaktionen auf deutsche Solidaritätsbekundungen seien von politischer Seite hingegen eher reserviert.
"Auch Politiker, die durchaus liberal denken, sagen: 'Bitte verlasst euch darauf, dass wir auch ein Rechtsstaat sind. Bitte keine Einmischung von außen.' "
Die Behörden in Italien werfen Carola Rackete unter anderem Widerstand gegen ein Kriegsschiff vor. Dafür drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft. Ein Polizeiboot hatte die Einfahrt der "Sea Watch 3" in den Hafen verhindern wollen. Ein Polizist sagte aus: Wäre das Polizeiboot der "Sea Watch 3" nicht ausgewichen, wäre es zerstört worden. Carola Rackete beteuert hingegen, sie habe das Boot nicht rammen und niemanden in Gefahr bringen wollen. Italiens Innenminister Matteo Salvini bezeichnete das Manöver als "kriegerische Handlung".
Carola Rackete droht Haft
Nach der Festnahme Carola Racketes meldeten sich verschiedene deutsche Politiker zu Wort. Unter anderem Außenminister Heiko Maas. Ebenso Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview.
"Italien ist nicht irgendein Staat. Italien ist Gründerstaat der Europäischen Union und deshalb dürfen wir von einem Land wie Italien erwarten, dass man mit einem solchen Fall anders umgeht."
Doch direkten Einfluss kann Berlin nicht nehmen. "Die Flüchtlingspolitik ist geradezu ein Drama für die Europäische Union", sagt Volker Finthammer aus unserem Hauptstadtstudio. Bis Ende 2018 gab es noch eine gemeinsame Initiative, um Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. Doch die Mission Sophia wurde eingestellt.
Gemeinsame Linie der EU fehlt
In Italien ist die Flüchtlingsfrage längst auch ein Politikum, so Volker Finthammer. Die Regierung nutze die Situation aus.
"Matteo Salvini will vor allem im Land punkten und sagen: 'Schaut her, ich bin ganz konsequent gegenüber den Flüchtlingen'."
Im aktuellen Fall sollen Deutschland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Luxemburg und Portugal sich bereit erklärt haben, die Flüchtlinge der "Sea Watch 3" aufzunehmen. Die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU ist insgesamt eine schwierige Debatte. Zum einen wollen EU-Staaten wie Polen oder Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen. Schweden wiederum hat bislang relativ viele Flüchtlinge aufgenommen. "Aber hier gibt es auch eine politische Kehrtwende, weil die Rechtskräfte erstarken", sagt Volker Finthammer.
"Es ist eine Minderheit der noch 28 EU-Staaten, die tatsächlich Flüchtlinge aufnehmen. Es sind nur einige wenige, die immer wieder die Hand gehoben haben."
Man könne nur versuchen, endlich eine gemeinsame Politik auf EU-Ebene zu entwickeln, so unser Korrespondent. Es fehle ein gemeinsames Konzept, wie die Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Entscheidend sei auch, dass man innerhalb der EU eine gemeinsame Linie entwickele, wie man die Staaten, aus denen die Menschen flüchten, unterstützen will.
Sammelaktionen und Proteste
Zugleich unterstützen einige Prominente die Arbeit von Sea Watch und von Carola Rackete. In Deutschland haben Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf zu Spenden aufgerufen. Von dem Geld sollen die Rechtskosten für Carola Rackete bezahlt werden. Eine ähnliche Aktion läuft in Italien. Bei beiden Sammelaktionen sollen bereits mehr als eine Million Euro zusammengekommen sein.
Außerdem gab es in München am Sonntagabend (30. Juni) eine Solidaritätskundgebung für Carola Rackete. Hunderte Menschen kamen vor dem italienischen Konsulat zusammen und forderten die Freilassung der Kapitänin.