ZuwanderungSchweden und die Flüchtlinge
Die schwedische Regierung hat eine radikale Wende in der Flüchtlingspolitik vollzogen. Unser Reporter hat im nordeuropäischen Land vorbeigeschaut - und eine gespaltene Gesellschaft erlebt.
Pro Kopf hat kein Land in der Europäischen Union so viele Flüchtlinge aufgenommen wie Schweden. Lange Zeit galt das Land als Vorbild für eine liberale Flüchtlingspolitik. Seit einiger Zeit sieht das aber anders aus. Im November hat die schwedische Regierung eine radikale Wende in der Flüchtlingspolitik vollzogen. Großzügige Regelungen wurden verschärft, und seit Jahresbeginn werden auch die Grenzen kontrolliert.
Unser Reporter Johannes Kulms reist gerade durch Schweden. Gekippt ist die Stimmung in den großen Städten Malmö, Göteborg oder Stockholm noch nicht, erzählt er. Trotzdem hat Johannes beobachtet: Die Verunsicherung bei den Schweden steigt.
"Wir müssen das meistern"
Viele bezweifelten, dass es Schweden schafft, so viele Flüchtlinge aufzunehmen. So sorgte in dieser Woche eine Meldung für Aufsehen, dass ein offenbar rechtsextremistischer Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft in Stockholm vereitelt wurde.
Erst Ende Januar hatten mitten in der Stockholmer Innenstadt Hooligans und Rechtsextreme Ausländer verfolgt. Johannes hat aber auch viel Hilfsbereitschaft beobachtet - Schweden, die fordern: Wir müssen diese Situation meistern, wir können nicht einfach mit unserer liberalen Politik aufhören.
"Die Verunsicherung bei den Schweden steigt. Die Zweifel daran, dass es Schweden schafft, so viele Flüchtlinge aufzunehmen. Und die Sorge, dass die Stimmung kippt."
Ein großes Problem in Schweden wie in Deutschland: Flüchtlinge brauchen Wohnungen. Und für die minderjährigen Flüchtlinge werden Lehrer gesucht - genauso wie Sozialarbeiter. Die schwedische Regierung will durch strengere Gesetze Flüchtlinge abschrecken, den Zuzug von Familien beschränken oder das Aufenthaltsrecht beschneiden.
Thomas Hammarberg, der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, kann die Entscheidungen der schwedischen Regierung verstehen, rechnet aber auch mit dramatischen Folgen der strengeren Gesetze. Das Gesetzespaket sei kontraproduktiv, weil es das Recht auf Asyl untergrabe. Die Politik müsse viel stärker die positive Seite der Flüchtlingspolitik betonen: etwa die kulturelle Bereicherung oder den Beitrag der Flüchtlinge gegen den demografischen Wandel.
Allerdings ist auch Thomas Hammarberg klar: Die politische Konstellation im schwedischen Parlament ist sehr kompliziert. Und das mache eine offensive Flüchtlingspolitik gerade sehr schwer umsetzbar.
Die Schwedendemokraten profitieren
Eine Partei, die gerade sehr stark von der Lage profitiert, sind die Schwedendemokraten. In Umfragen kommen sie fast auf 20 Prozent der Wählerstimmen. Die rechtspopulistische Partei will mehr Geld für die Flüchtlinge in syrischen Nachbarstaaten wie der Türkei oder Jordanien ausgeben und so dafür sorgen, dass nur noch 4000 Flüchtlinge pro Jahr nach Schweden kommen - im vergangenen Jahr waren es 160.000.
Zurzeit arbeitet keine der anderen Parteien mit den Schwedendemokraten zusammen. Johannes Kulms ist allerdings skeptisch, ob das so bleibt. Der Grund: keiner der großen Blöcke hat zurzeit eine Mehrheit.
Bleibt die Frage, ob das Konzept der offenen Gesellschaft in Schweden gescheitert ist. Beobachter wie den Kabarettisten Soran Ismail beunruhigt vor allem das unterschwellige Misstrauen in der schwedischen Gesellschaft. Soran Ismails Familie ist einst selbst nach Schweden geflohen. Heute geht Soran zu 90 Prozent davon aus, dass er eines Tages aus Schweden fliehen muss.
Johannes Kulms Fazit seines Schwedenbesuchs: Die Polarisierung des Landes ist stärker als in Deutschland. Allerdings wollen die meisten Schweden die Werte, die das Land geprägt haben, noch nicht über Bord werfen.