AbtreibungSchwangerschaftsabbruch: Schlechte Versorgungslage in manchen Gegenden
Auch wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, ist es mancherorts für Frauen schwer, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Oder könnte die knappe Versorgungslage vielleicht sogar politisch gewollt sein? Ein Blick nach Niederbayern.
Abtreibungen sind in Deutschland unter bestimmten Umständen möglich. Zunächst muss sich die ungewollte Schwangere ärztlich beraten lassen, dann muss sie ein*e Ärzt*in finden, der oder die den Eingriff durchführt. Doch genau an diesen Ärtz*innen mangelt es in manchen Gegenden Deutschlands. Für die Stadt Passau bezeichnet Jurastudentin Lisa Schiller die Versorgungslage als "Katastrophe".
Schwangerschaftsabbrüche auf eigenen Wunsch nicht gern gesehen
Die Passauer Jurastudentin Lisa Schiller engagiert sich im örtlichen Bündnis Sexuelle Selbstbestimmung dafür, dass Frauen, die abtreiben wollen – nach einer Beratung – mehr Möglichkeiten haben, diese Abtreibung durchführen zu lassen. Denn das sei ein drängendes Problem.
"Wir haben hier ein Klinikum, das keine Schwangerschaftsabbrüche nach Beratungsregel durchführt, das sich schlichtweg weigert, diese durchzuführen."
Das städtische Krankenhaus führt Abtreibungen nur bei Vergewaltigungsfällen durch oder in Fällen, in denen es medizinisch notwendig ist, erklärt Tobi Krone, Deutschlandfunk-Korrespondent für Bayern. In Passau gibt sonst nur eine weitere Ärztin, die Abbrüche durchführt. Die nächste Möglichkeit für Frauen aus Passau ist eine Praxis, die 120 Kilometer entfernt ist. Hier werden Schwangerschaften allerdings nur medikamentös, das heißt im frühen Stadium, abgebrochen.
In ganz Niederbayern, also der überwiegend ländlich geprägte Südosten des Bundeslandes, gibt es somit genau drei Möglichkeiten für Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, sagt Tobi Krone. Ein Angebot, das laut Bayerischem Gesundheitsministerium ausreicht.
"Es gibt eine Ärztin, die in Passau Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Wenn diese Ärztin voll ist, müssen Betroffene kilometerweit für den Eingriff reisen."
Ingrid Schwaighofer spricht sich für eine differenziertere Einschätzung aus. Sie ist Leiterin der christlichen Familienberatungsstelle Donum Vitae in Passau. Der Verein bietet Schwangerenkonfliktberatungen an – ergebnisoffen, wie die Leiterin betont.
Ingrid Schwaighofer sagt, die Versorgung reiche für Frauen, die ihre Schwangerschaft früh erkennen und sich gegen sie entscheiden, tatsächlich aus. Für eine Schwangere, die sich jedoch erst am Ende der gesetzlichen Frist von zwölf Wochen für eine Abtreibung entscheidet, kann es schwierig sein, rechtzeitig einen Termin zu bekommen.
Die Versorgungslage in Passau ist zwar ein Extremfall, sagt Deutschlanfunk-Korrespondent für Bayern Tobi Krone, aber ein Einzelfall ist es in Deutschland nicht. Elsa, ein Projekt, das Daten über die sozialen und gesundheitlichen Belastungen ungewollt schwangerer Frauen erhebt, betreibt gerade eine Studie dazu. Laut der bisherigen Erkenntnisse wohnen 4,5 Millionen Menschen mehr als 40 Autominuten von einer Praxis oder einem Klinikum entfernt, das Abtreibungen durchführt.
Gewissensentscheidung oder Erschweren von Abtreibungen?
Zu der Situation in Passau äußert sich das städtische Klinikum schriftlich. Die Begründung, weshalb Schwangerschaftsabbrüche nach Beratungslösung nicht angeboten werden: "Die Frauenärztinnen und Frauenärzte des Klinikums möchten diese derzeit nicht durchführen. Diese persönliche Gewissensentscheidung eines Arztes ist selbstverständlich zu respektieren und bedarf dem Arbeitgeber oder der Öffentlichkeit gegenüber auch keiner Begründung."
Rechtlich, so ein Verfassungsgerichtsurteil von 1991, wäre es dem Klinikum aber auch möglich, gezielt Stellen für Personal auszuschreiben, das Abtreibungen durchführen will. Doch das müsste die Kommunalpolitik wollen, erklärt Erika Träger, parteilose Stadträtin und langjährige Kämpferin für Abtreibungsmöglichkeiten vor Ort.
Die Stadträtin hofft jetzt, dass Abtreibungen durch die Streichung eines Strafparagrafen im Bundesgesetz entkriminalisiert werden, so wie es eine Expertenkommission im Frühjahr vorgeschlagen hat. Damit ließe sich möglicherweise die Hemmschwelle für die Politik etwas senken, nach Personal für das Passauer Klinikum zu suchen.