Verloren, Verlegt, VergessenWarum wir schusselig sind
Die Verabredung vergessen, den Schlüssel verlegt, die Tasse umgeschmissen – wie schusselig! Das kennt auch DJ und Musikproducerin Asli. Sie bezeichnet sich selbst als super verpeilt. Was Schusseligkeit eigentlich genau ist und was die Ursachen sein können, erklärt Psychologe Sebastian Markett.
"Verdammt, wo ist dies, wo ist jenes?! Jetzt hab ich schon wieder das da liegen lassen?!", beschreibt Asli ihre Schusseligkeit, mit der sie täglich zu kämpfen hat. Ständig verlegt sie Dinge oder vergisst Termine, sagt sie. Wenn dann noch andere Menschen darunter zu leiden haben, wie bei Verabredungen zum Beispiel, dann tue es ihr immer unglaublich leid.
"Verdammt, wo ist dies, wo ist jenes?! Jetzt hab ich schon wieder das da liegen lassen?!"
Findet Asli ihre Sachen dann nicht, löst das schnell panische Reaktionen bei ihr aus, sagt sie. Mittlerweile habe sie sich aber bestimmte Routinen und Systeme angeeignet, um einigermaßen sortiert zu bleiben: Ablageorte auf dem Schreibtisch, Fächer für bestimmte Sachen in ihrer Bauchtasche zum Beispiel.
Und plötzlich ist der Geldschein futsch
Damit das funktioniert, müsse sie sehr streng sein. Trotzdem komme es vor, dass sie Sachen vergisst. Asli ist DJ, der USB-Stick mit ihrer Musik gehört in die Bauchtasche. Bei einem ihrer Gigs war der plötzlich weg. Wiedergefunden hat sie den Stick später im Hotel in ihrer Hemdtasche, erzählt sie. Gut, dass sie immer einen Backup-Stick dabei hat, trotzdem ziemlich ärgerlich.
"Meine Eltern haben irgendwann aufgehört, mich zum Bäcker zu schicken, weil ich schon auf dem Weg den Geldschein verloren habe."
Schon als Kind sei Asli schusselig gewesen. "Meine Eltern haben irgendwann aufgehört, mich zum Bäcker zu schicken, weil ich schon auf dem Weg den Geldschein verloren habe", sagt sie.
Seit ein paar Jahren hat sich Asli mit ihrem Verhalten stärker auseinandergesetzt und sich auch psychologisch beraten lassen, erzählt sie. Vieles spreche dafür, dass sie ADHS habe, aber auf Medikamente verzichtet sie. Zum einen hat sie keine Lust auf mögliche Nebenwirkungen, zum anderen kommt sie mit ihren eingeübten Systemen zu 90 Prozent gut klar, sagt Asli.
Schusseligkeit - ein augenblickliches Versagen von Fähigkeiten
Sebastian Markett ist Psychologe an der Humboldt-Uni zu Berlin. In seiner Forschung beschäftigt er sich vor allem mit den kognitiven Funktionen unseres Gehirns – beispielsweise mit der Frage, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet. Schusseligkeit als ein Augenblickversagen der kognitiven Funktion, zähle auch dazu, sagt er.
"Schusseligkeit bedeutet ein augenblickliches Versagen von Fähigkeiten, die man normalerweise hat."
Schusseligkeit sei ein plötzliches Versagen von Fähigkeiten, die ein Mensch normalerweise hat. Handlungen, die wir eigentlich routinemäßig ausführen, gehen auf ein Mal schief. Anders ausgedrückt: "In dem Moment, wo du eine Schusseligkeit begehst, weicht das Resultat einer Handlung von dem ab, was du eigentlich beabsichtigt hast", so der Psychologe.
Genetische Faktoren können eine Rolle spielen
In der Forschung gibt es verschiedene Möglichkeiten, Menschen auf Schusseligkeit zu testen – zum Beispiel mit Testaufgaben, bei der die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit überprüft wird, sagt Sebastian schusseligkeit-wenn-wir-staendig-alles-vergessen. Eine andere Möglichkeit: klassische Befragungen und Selbsteinschätzungen der Probandinnen und Probanden. Hier könnt ihr euch selbst testen: "Bin ich schusselig?"
"Je genetisch ähnlicher Personen sind, desto ähnlicher sind die sich auch in ihrer Schusseligkeit."
Was die Forschung festgestellt hat: Schusseligkeit kann auch eine Sache der genetischen Veranlagung sein. "Je genetisch ähnlicher Personen sind, desto ähnlicher sind die sich auch in ihrer Schusseligkeit", sagt der Psychologe. Dafür verantwortlich sei ein Zusammenspiel vieler verschiedener Gene mit jeweils kleinen Effekten.
Schusseligkeit ist keine Frage der Erziehung
Schusseligkeit loszuwerden, sei weniger eine Sache der Erziehung. "Die Grundschusseligkeit wird man nicht wegbekommen", sagt Sebastian. Eher könne man versuchen, mit Strategien und Routinen die Auswüchse und Ergebnisse von Schusseligkeit abzumildern – beispielsweise für Gegenstände bestimmte Ablageorte zu wählen.