Schmuckdesignerin und Unternehmerin Guya MerkleGold aus alten Smartphones statt aus hochgiftigen Minen
Gold zu gewinnen, kann ein schmutziges Geschäft sein. Guya Merkle möchte weder Umwelt noch Menschen schaden und nutzt innovative Wege, um nachhaltig an Edelmetalle für Schmuck zu gelangen.
Guya Merkle ist 21 Jahre alt, als sie das Juwelierunternehmen ihres Vaters übernimmt. Dass sie so plötzlich als Geschäftsführerin einsteigt, liegt am vorzeitigen Tod ihres Vaters. Zu diesem Zeitpunkt hat Guya keine Ahnung, wie man hochwertigen Schmuck herstellt und wie man ihn verkauft, erzählt sie.
"Weil ich keine Ahnung davon hatte, wie man Schmuck macht und verkauft, hat das dazu geführt, dass ich das Unternehmen nach zwei Jahren sehr erfolgreich gegen die Wand gefahren habe."
Vieles musste sie sich in kurzer Zeit selbst beibringen. Aber die Mühe fruchtet nicht – schon nach zwei Jahren fährt sie das Unternehmen "erfolgreich an die Wand", wie sie selbstironisch bilanziert.
"Als mein Vater noch gelebt hat, war ganz klar, dass ich das Unternehmen auf gar keinen Fall weiterführe, weil es mich tatsächlich nicht interessiert hat und ich mehr im Thema Kommunikation unterwegs war."
Vom anfänglichen Misserfolg lässt sich Guya aber nicht beirren. Sie begibt sich auf eine Reise, wie sie es selbst nennt, die nun schon zehn Jahre andauert. Sie besucht zum Beispiel das "Gemological Institute of America" in London und eignete sich in Kursen Fachwissen an. Dabei lernt sie, was Menschen an edlem Schmuck fasziniert, woher er kommt und weshalb er so teuer ist.
Der lebensverändernde Moment in einer Goldmine in den Anden
Nach und nach versteht sie die Faszination, die Schmuck ausüben kann. Sie reist durch Peru. Durch einen Zufall bietet sich ihr dabei die Chance, in den Anden eine Goldmine zu besuchen. Das war ein Augenöffner, erzählt sie: "Ich stand da und habe den Glauben an die Menschheit verloren".
Der Ursprung der funkelnden Kostbarkeiten, die in Juwelierschaufenstern ausgestellt werden: Elend. Sie traf Menschen, zum Teil mit Missbildungen, die in absoluter Armut dort leben, wo sie arbeiten. Die sowohl ihre Wäsche als auch ihre Kinder in dem Wasser waschen, das durch die Goldgewinnung mit hochgiftigem Quecksilber verschmutzt wird.
"Alle meinten: Du darfst hier nichts anfassen, du darfst hier nichts essen, du darfst hier nichts trinken, sonst vergiftest du dich!"
Dieser Moment überzeugt Guya Merkle, dass neue Wege beschritten werden müssen. Ein paar Jahre später, bei dem Versuch, ihr erstes eigenes Juwelierunternehmen zu gründen, macht sie es sich daher zum Grundsatz, möglichst respektvoll mit Natur und Umwelt und schonend mit Ressourcen umzugehen. Ihr 2015 entstandenes Unternehmen nutzt nur fair gehandeltes oder recyceltes Gold.
Goldgewinnung: Hochgiftige Stoffe werden ohne Schutz verwendet
Bei sieht Guya Merkle mit eigenen Augen, wie Gold aus Goldminen gewonnen wird: Zunächst wird Golderz aus einer Goldader entnommen. Die Arbeiter*innen zermahlen das Golderz dann per Hand. Anschließend werden giftige Stoffe wie Quecksilber oder Cyanid eingesetzt, um das Gold vom Erz zu lösen.
Die Menschen, die dies alles von Hand erledigen, machen das in der Regel in der freien Natur und ohne Hand- oder Mundschutz. Das Goldamalgam, das in diesem Vorgang entsteht, muss dann noch verbrannt und gewaschen werden. Die giftigen Stoffe, die zum Einsatz kommen, und der fehlende Schutz davor stellen eine massive Gefahr für Mensch und Umwelt dar.
"Das ist den Menschen erscheckenderweise total bewusst, was Quecksilber mit dem Organismus und der Natur macht. Es ist ihnen auch bewusst, dass sie ausgebeutet werden."
Es gibt durchaus auch Minen, die zum Beispiel nach Fairtrade- oder OECD-Standards zertifiziert sind. Das Problem ist, die Einhaltung dieser Standards auch zu kontrollieren. Das Gold aus diesen Minen ist auch teurer als aus nicht-zertifizierten Minen - ein Nachteil im Wettbewerb.
Guyas Reise in die Anden liegt inzwischen zehn Jahre zurück. Nach ihrer Rückkehr gründet sie die Organisation Earthbeat Foundation, um auf die Problematik bei der Goldgewinnung aufmerksam zu machen. Medien greifen das Thema zwar auf, aber Guya stellt fest, dass sich dadurch zu wenig bewegt.
Aus diesem Aktivismus heraus und um auch anderen zu zeigen, dass die Goldgewinnung auch nachhaltig und umweltschonend möglich ist, gründet Guya 2015 ihr eigenes Schmuckunternehmen. Inzwischen beschreitet die Unternehmerin neue Wege, indem sie für den Schmuck, den sie herstellt, beispielsweise auch recyceltes Gold verwendet, das aus ausgedienten Smartphones stammt.
"Das war das fehlende Puzzleteil in meiner Geschichte: Hier kommt etwas mit herein, was mich bewegt. Weil ich mich mein Leben lang mit Ungerechtigkeiten beschäftigt habe."