Schmerz- und Palliativmediziner Sven Gottschling"Wir therapieren an den Bedürfnissen von Menschen vorbei"
Sven Gottschling will Schulmedizin und alternative Heilmethoden zusammenbringen. Wenn es Sinn ergibt. Das tut es allerdings nicht immer.
Im Moment bekommt Sven Gottschling Kritik von zwei Seiten: Die Schulmediziner werfen ihm vor, dass er zu sehr mit alternativen Heilmethoden liebäugelt. Bei den Homöopathen und Heilpraktikern gilt er als Hardcore-Mediziner.
Sven Gottschling hat beide Seiten unglücklich gemacht, indem er ihnen den Spiegel vorgehalten hat. Der Mediziner ist Chefarzt am Zentrum für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie am Uniklinikum Saarland. Dort vereint er beide Schulen – wenn es eben Sinn ergibt.
"Ich wäre ein schlechter Chirurg: Ich habe keine Geduld und ich bastele nicht gerne."
Sven Gottschling sagt: Bachblüten und Homöopathie – das ist Unsinn. Diese Methoden und Anwendungen funktionieren nur als Placebo oder über den Zuwendungseffekt. Wenn sich ein Heilpraktiker zum Beispiel eine Stunde Zeit für eine erste Anamnese nimmt, wird sich die Patientin danach besser fühlen – egal, was sie zusätzlich nimmt. Evidenzbasierte Medizin ist das nicht. „Wenn ich so was laut sage, weiß ich: Ich werde mit Globuli beworfen“, sagt Gottschling.
Doch es zeigt eben auch, dass die Schulmedizin sich oft zu wenig Zeit nimmt, um zuzuhören. "Das können alternative Heilberufe oft besser als die Schulmediziner", so Sven Gottschling. Das hören wiederum seine Kolleginnen und Kollegen nicht so gerne.
Mehr Kommunikation
"Wir wissen, dass ein Arzt seinen Patienten nach 16 Sekunden zum ersten Mal unterbricht", sagt Sven Gottschling. Das schafft vorsichtig ausgedrückt kein Vertrauen. Seine Idee: Mehr Kommunikation, dafür weniger Gerätemedizin oder nur da, wo sie wirklich sinnvoll ist. Ergänzt um die alternativen Heilmethoden, die helfen. Von Akupunktur profitieren zum Beispiel chronische Schmerzpatienten. Deshalb wird die Leistung auch von den Krankenkassen übernommen.
Sven Gottschling hat in den vergangenen Jahren außerdem intensive Erfahrungen mit Cannabinoiden gemacht – als Teil der Schmerz- oder Palliativmedizin bei Kindern. Es wird allerdings kein Tütchen auf den Stationen der Klinik geraucht. Sondern Tabletten zum Schlucken verabreicht, und high wird davon auch niemand.
"Ich empfinde es als Geschenk, mich mit sterbenden Kindern auseinandersetzen zu können."
In Eine Stunde Talk erzählt der Mediziner, warum er manchmal schwarzen Humor gut gebrauchen kann, wie die Chefarzt-Visite bei ihm abläuft und was er mit Dr. House gemeinsam hat.