Schach-WMCarlsen rennt die Zeit davon
In New York ist die Schach-WM in der entscheidenden Phase: Nach sieben Unentschieden wollte Titelverteidiger Magnus Carlsen quasi mit dem Kopf durch die Wand. Doch das ging schief. Nun liegt der Herausforderer Sergei Karjakin vorne. Mit einem Sieg in der neunten Partie hätte der Russe gewonnen. Doch die Partie endete unentschieden. Und somit bleibt es spannend. Ziemlich spannend sogar.
Als unser Schachexperte Michael Gessat bei Zug 31 ins Bett gehen musste, da war die Stellung für Karjakin seiner Einschätzung nach nicht so schlecht für einen Sieg. Weiß, also Karjakin, hatte gewisse Angriffschancen am Königsflügel. Schwarz hätte die Partie maximal halten können, mehr aber auch nicht. Und so kam es dann auch.
Carlsen muss punkten
Doch dem amtierenden Weltmeister läuft die Zeit allmählich davon. Es steht 5 zu 4 für Karjakin und der kommt mit jedem Unentschieden dem WM-Titel näher. Carlsen hingegen braucht definitiv einen Sieg. Trotzdem glaubt unser Schachexperte, dass Carlsen mit dieser neunten Partie einigermaßen zufrieden sein wird.
"Er hatte ja die schwarzen Steine, das heißt, Karjakin hatte als Weißer den ersten Zug, und das bedeutet immer einen ganz kleinen Vorteil. Das ist so ein bisschen wie der Aufschlag beim Tennis."
Theoretisch hätte Carlsen bei einem Sieg Karjakins einen Zweipunkterückstand in den verbleibenden drei Partien noch wettmachen können, doch wäre das extrem unwahrscheinlich.
Karjakin spielt auf Nummer sicher
"Die Sache ist beim Schach", sagt unser Schachexperte, "du kannst eine Partie eher auf Nummer sicher anlegen oder eher auf Risiko, und das gilt dann auch im weiteren Verlauf eigentlich bei allen kritischen Entscheidungen."
"Wer in Führung liegt, kann sich dann die Variante sicher leisten - wie beim Fußball: hinten reinstellen, der andere muss sich etwas einfallen lassen, er muss angreifen. Und wenn er halt überzieht, dann war es das sofort. Wenn er nicht angreift, war es das auch, spätestens beim Abpfiff."
Karjakin hätte in der neunten Partie sogar Chancen gehabt zu gewinnen, aber er hat sich für die etwas risikoärmere Lösung entschieden. Danach konnte ihm nichts mehr passieren, aber Karjakin konnte Carlsen noch ein Weilchen quälen. Heißt: Auch wenn eine Partie in Richtung unentschieden läuft, gibt es immer noch die Chance, dass beim Gegner – also hier Carlsen - die Konzentration nachlässt und er einen Bock schießt.
"Und dann gibt man halt mal von rechts ein Schach, dann mal von links, und schaut mal, ob der andere nicht irgendwann zusammenbricht, und sei es nur aus Wut über die fortgesetzten Gewinnversuche."
Das unbedingte Gewinnenwollen, bis gar nichts mehr geht, ist eigentlich genau die Spezialität von Carlsen, so Michael Gessat.
Emotional gereizt
Nach seiner Niederlage in der achten Partie hatte Carlsen die Pressekonferenz verlassen, weil er zu aufgewühlt war. Aber eine Niederlage geht eben auch unheimlich an die Nieren, so Michael Gessat. Insofern ist das Remis in der neunten Partie ein wichtiger psychologischer Schritt zur Stabilisierung seines Egos. In der zehnten Partie hat Carlsen jetzt wieder Weiß und kann einen Sieg in Angriff nehmen.