Autor Stephan OrthVon Couch zu Couch durch Saudi-Arabien
Saudi-Arabien entwickelt sich rasend schnell von einem extrem konservativen, islamisch geprägten Land zu einem für den Westen offenen Touristenziel. Couchsurfer Stephan Orth wollte das selbst erleben.
Stephan Orth ist vielleicht der bekannteste Couchsurfer der Welt. Meistens sucht er sich seine Reiseziele danach aus, welches Land in den Medien gerade richtig schlechte Schlagzeilen macht. So war Stephan Orth schon im Iran, in China und in Russland unterwegs. Sein letztes Ziel: Saudi-Arabien. Ein Land, das nicht zuletzt für Menschenrechtsverletzungen bekannt ist.
Offener für Touristinnen und Touristen
Bis Anfang 2020 hat Stephan Orth die arabische Halbinsel bereist. Die Monarchie will moderner werden. Auf dem Weg dahin hat Kronprinz Mohammed bin Salman zum ersten Mal Touristenvisa ausgegeben.
"Diese Mischung aus sehr gruseligen Nachrichten, die von dort kommen, und gleichzeitig einem Umschwung, der dort stattfindet, fand ich wahnsinnig spannend", erklärt Stephan. So war er einer der ersten, der ein Touristenvisum beantragt hat.
"In Saudi-Arabien war ich auf einem Rave in der Wüste. Vor zwei oder drei Jahren wäre das komplett unmöglich gewesen. Da war das verboten."
Stephan wollte mit eigenen Augen sehen, was in Saudi-Arabien passiert – und war mitten in der Wüste auf einem Rave. In der Nähe der Hauptstadt Riad strömten 100.000 Besucherinnen und Besuchern zu dem Festival um David Guetta, Steve Aoki und andere weltberühmte DJs zu sehen. "Vor zwei oder drei Jahren wäre das komplett unmöglich gewesen", sagt Stephan. "Da war das verboten."
Saudi-Arabien entwickelt sich rasend schnell
Der Rave habe sich erstaunlich europäisch angefühlt – abgesehen davon, dass viele Männer und Frauen die traditionelle Kleidung Saudi-Arabiens getragen haben. Es wurde wenig Alkohol getrunken, es gab kaum Drogen. "Jahrzehntelang gab es kein Live-Konzert in Riad, und dann so ein riesen Event", sagt Stephan. "Manchmal geht da die Beschleunigung von Null auf 110."
Viele Menschen in Saudi-Arabien sind deswegen begeistert. Aber sie sind auch verunsichert, weil die Entwicklung so extrem schnell passiert. Vielen sei noch nicht ganz klar, was nun wirklich erlaubt und was doch noch verboten ist, sagt der Couchsurfer.
"Ich habe eine ganz extreme Geschlechtertrennung erlebt. Frauen und Männer haben einen sehr getrennten Alltag, ein sehr getrenntes Leben."
Viele Bereich sind in der Monarchie sehr ungleich geregelt. "Ich habe eine ganz extreme Geschlechtertrennung erlebt", sagt Stephan. Bei seinem Couchsurfing war er ausschließlich bei Männern zuhause, auf keiner anderen Reise seines Lebens hat er so viel Zeit in reinen Männergruppen verbracht.
Kontakt zu Frauen ist schwierig
Ein einziges Mal hat ihm ein Mann seine Frau vorgestellt. Das sei vermutlich nur möglich gewesen, weil sie Amerikanerin war. Für ihn selbst war es sehr kniffelig, mit saudi-arabischen Frauen überhaupt ins Gespräch zu kommen.
"Ich war so ein bisschen der Prophet einer neuen Ära, könnte man ganz pathetisch sagen."
Für die meisten Menschen aber war Stephan ein willkommener Gast, ein bisschen wie eine Sehenswürdigkeit. "Ganz oft stand ich als Tourist im Mittelpunkt", erzählt er. Denn Touristen in Saudi-Arabien sind immer noch eine Besonderheit.