Zusammenleben nach dem Krieg"Klar, würde ich nach Sarajevo ziehen"
Sarajevo vor dem Bosnienkrieg beschreiben viele als bunte Stadt, in der viele Ethnien friedlich nebeneinander gelebt haben. Nadia Pantel, Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, war in den vergangenen Wochen in Bosnien-Herzegowina und hat von dort berichtet. Wie funktioniert das Zusammenleben heute? Was für eine Stadt ist Sarajevo geworden?
"Für einen Ausstehenden wirkt sie immer noch einfach wie eine schöne, lebenswerte Stadt." Eingerahmt von Hügeln, einem Fluss, die Menschen sind entspannt, sitzen draußen in den Cafés und trinken Kaffee. Gleichzeitig hat die Stadt eine gewisse Melancholie, sagt Nadia Pantel. Das liegt nicht nur an den Wolken. Noch mehr liegt es an dem, was sichtbar wird, wenn diese sich verziehen: Dann zeigen sich die Gräber, die sich überall auf den Hügeln um die Stadt legen. Auch durch die vielen Einschusslöcher der Granaten und Gewehre, die überall zu sehen sind, wird der Krieg für die Besucher deutlich.
Im Stadtbild mischen sich Minarette, Kirchen und die historischen Einflüsse unterschiedlicher Generationen. Dieses selbstverständliche Zusammenleben planvoll zu zerstören war ein Ziel der Aggressoren im Bosnienkrieg, "Dadurch ist Sarajevo jetzt eine geteilte Stadt, was sie vorher nicht war", sagt Nadia Pantel.
"Das, was Bosnien-Herzegowina wirklich ausgemacht hat, dieses total durchmischte Zusammenleben, das hat der Krieg sehr nachhaltig zerstört."
Heute werde ein anderes Bild an die junge Generation weitergeben, sagt die 31-jährige Journalistin. Unterschiede werden hervorgehoben: Bist du Bosnier, Bosniake, Serbe, Kroate? Bei ihren Begegnungen hat sie immer wieder bemerkt, wie die eigene nationale, religiöse Identität betont wird, wenn der Krieg Thema ist – auch bei denen, die nach 1995 geboren sind.
"Der Blick auf den Krieg ist es, der sehr unterschiedlich ist. Man nimmt sehr unterschiedliche Leute als Helden oder Verbrecher wahr."
Das ist die eine Seite. Andererseits gibt es auch viele Versöhnungsinitiativen im Land. Und es gibt jene, die sich nicht einordnen wollen oder können in das Spektrum aus Opfern und Tätern des Krieges. Wie etwa die Frau, deren Mann bei dem Massaker von Screbenica ermordet wurde. Er war bosnischer Muslim, sie Serbin.
Dass die gewaltvollen Erfahrungen für die Menschen noch sehr nah sind, hat Nadia erlebt. Genauso wie die Tatsache, dass die wirtschaftliche Lage ihnen zu schaffen macht. Begeistert hat sie aber auch die Heiterkeit, mit der die Bosnier diese Melancholie immer wieder abschütteln. Und auch der Stolz, mit dem die Menschen auf ihre bunte, lebenswerte Hauptstadt Sarajevo blicken. Nicht nur das ist für Nadia Pantel Grund, wieder dort hinzugehen.