Tunesische Insel KerkennahSanfter Tourismus statt Schleppergeschäft
Die kleine Inselgruppe Kerkennah nahe der zweitgrößten Stadt Sfax gilt immer noch als Geheimtipp in Tunesien – trotz schöner Strände verirrt sich kaum ein ausländischer Tourist hierher. Das will die Tourismusbehörde mit einem Konzept des Sanften Tourismus ändern. Und so gleichzeitig etwas gegen Schlepperbanden unternehmen.
Das Tourismuskonzept soll die Ursprünglichkeit der Inseln bewahren und trotzdem möglichst viele Arbeitsplätze und Perspektiven schaffen. Denn die fehlen ansonsten auf Kerkennah. Reporterin Anne Françoise Weber war für uns auf den Inseln.
Knapp 15.000 Einwohner hat die Inselgruppe und für Besucher gibt es bisher rund 1000 Hotelbetten. Das sind nicht genug, findet der Tourismusbeauftragte der Region Taoufik Gaied. Er will noch mehr Gäste anlocken, aber eben keinen Massentourismus, sondern lieber ausgesuchte Veranstalter mit einem kultivierten Publikum.
"Um das schöne Image der Insel Kerkennah bekannt zu machen, damit der Tourismus sich entwickelt und mehrere Hotels oder Gästehäuser eröffnet werden."
Das Kunstfestival "Kerkennah01", das in diesem Jahr zum ersten Mal hier stattfindet, zählt zu diesen ausgesuchten Veranstaltungen. Eingeladen ist auch der Pariser Künstler Mathieu Merlet Briand. Der 28-jährige Franzose durfte im Norden der Hauptinsel sein Werk aufstellen. Einen Pavillon, konstruiert mit roter Folie.
"Red Screen Temple" heißt das Werk und beschäftigt sich mit Digitalisierung und Religion. Für Mathieu war es nicht nur ein Traum, das umzusetzen – er ist auch von den Kerkennah-Inseln fasziniert.
"Man ist mitten unter Palmen, direkt am Meer – das ist fast paradiesisch, unglaublich. Gleichzeitig ist es sehr einfach und bescheiden – aber das ist cool."
Kontakt zu den Inselbewohnern
Was Mathieu nicht so toll findet, ist der Müll am Straßenrand. Aber seine Begeisterung will er sich davon nicht verderben lassen. Zumal es eben auf Kerkennah für ihn nicht nur um die Landschaft und ein paar römische Ruinen geht, sondern um den Kontakt zu den Menschen, die hier leben.
"Der Gast hat die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu kommen und alles mitzuerleben. Es gibt traditionelle Fischereiarten, die nur hier auf Kerkennah praktiziert werden und die es nirgendwo anders gibt."
Einer dieser Fischereiarten ist Damassah. Da wird eine bestimmte Fischart in die Enge getrieben und durch Stockschläge aufs Wasser dazu gebracht, in die aufgespannten Fischernetze zu hüpfen. Das können Besucher von Bord eines Fischerbootes beobachten. Die traditionelle Fangtechnik beherrscht auch Fischer Neji Khidr und die anderen Fischer, die in einem Café ganz im Norden der Hauptinsel sitzen.
Aussichtslosigkeit bei Fischern
Aber so oder anders will Neji Khidr eigentlich gar nicht mehr fischen, denn das Meer sei zerstört.
"Es gibt viele Probleme. Die Leute haben so viel gelitten. Wir haben keine Energie mehr. Sie haben uns das Meer zerstört."
Die Fischer klagen vor allem darüber, dass sie mittlerweile nur noch wenige Meerestiere fangen könnten. Denn auch hier fahren vor der Küste Trawler, die keine Fangquoten respektierten. Außerdem verschmutze die auf der Inselgruppe angesiedelte Erdölindustrie das Meer, wodurch auch Meerestiere sterben. Deshalb verdienen sich manche Fischer Geld dazu, indem sie illegal Menschen nach Europa bringen, erzählt Nejis Freund, Selim Al-Cheikh.
An dem Schleusergeschäft müsse auch die Polizei beteiligt sein, vermuten viele – sonst könnten gar nicht so viele Boote ungestört von der Inselgruppe ablegen. Ein Mann, wahrscheinlich Ende zwanzig, der es so auch schon mal nach Europa geschafft hat und aus Österreich wieder abgeschoben wurde, will seinen Namen lieber nicht sagen. Er glaubt, dass noch sehr viele Tunesier die Überfahrt versuchen werden.
"Für eine grundsätzliche Lösung müssten unterentwickelte Staaten wie Tunesien fortschrittlich werden. Das ist eine internationale Frage."
Der Tourismusbeauftragte Taoufik Gaied ist dagegen überzeugt davon, dass sich durch ein paar neue Hotels auf Kerkennah schon etwas ändern ließe. Wenigstens für die Bewohner der Inselgruppe.