Safe SpaceWarum sichere Orte für uns wichtig sind
Das "Tuntenhaus" in der Berliner Kastanienallee ist bedroht: Noa lebt seit neun Jahren dort und fühlt sich im Haus geborgen. Den Safe Space gibt es nicht, sagt Janna Mareike Hilger. Die Philosophin hat dazu geforscht – angefangen bei Bars in den USA.
"Ich bin eine mehrfach diskriminierte Person", sagt Noa*. Seit neun Jahren lebt er im Tuntenhaus in der Kastanienalle im Berliner Bezirk Pankow. Für ihn ist das besondere an der Gemeinschaft im Tuntenhaus, dass hier eine ganze Reihe von Generationen zusammenlebt. "Es ist wirklich ein Mehrgenerationenhaus", sagt er. Noa selbst ist inzwischen Ende 20 und gehört zu den jüngeren Bewohnern des Hauses.
"Man zieht her, weil man genau diese Orte sucht, weil man weiß: Nicht die ganze Stadt ist ein Safe Space."
Sein Einzug war ein Zufall, sagt Noa. Er dachte nicht, dass er zu der Gemeinschaft passen würde und hatte Vorbehalte. Er befürchtete zum Beispiel, sich Zwängen und Pflichtterminen unterwerfen und mit nur wenig Privatsphäre auskommen zu müssen.
Organisch und zwanglos
Doch es kam anders: Noa beschreibt sein Leben im Haus und das Zusammenleben mit den anderen als organisch und zwanglos.
"Safe Space kann eben auch bedeuten, dass sich etwas wie ein Zuhause anfühlt."
Mit der queere Gemeinschaft in der Kastanienallee könnte es bald vorbei sein, denn das Gebäude ist verkauft worden. Zwar hoffen die Bewohner darauf, dass die Stadt von ihrem Vorkaufrecht Gebrauch macht – aber sicher ist das nicht.
Hoffnung nach dem Verkauf
Der Wunsch der Bewohner ist, das Gebäude genossenschaftlich zu erwerben und diesen Safe Space zu erhalten.
"Das Tuntenhaus funktioniert, ohne sich zu etwas zwingen zu müssen. Das zeigt auch vielleicht, was Safe Space bedeutet."
Den einen Safe Space gibt es nicht, sagt Janna Mareike Hilger. Sie hat zum Thema "Safe Space – Sorge und Kritik nach Michel Foucault und Eve Sedgwick" in Philosophie promoviert. Auch auf eine strenge wissenschaftliche Definition will sie sich nicht festlegen. Safe Spaces können Rückzugsräume sein, sie sind aber auch Orte der aktiven Gesellschaftskritik.
"Zu sagen 'Die ziehen sich zurück in ihre Räume', ignoriert diese Lebensrealität, die immer schon geprägt ist von Konflikt und von Gewalt."
In ihrer Arbeit hat Hilger die Geschichte von Safe Spaces verfolgt – beginnend in den 1950er-Jahren in den USA mit schwulen und lesbischen Bars. Auf eine Phase, in der überwiegend physische Orte als Safe Spaces gedient haben, folgt seit etwa den 1970er-Jahren eine Zeit, in der Gruppen im Rahmen der Frauenbewegung als Safe Spaces entstanden sind. Dort sind Safe Spaces also soziale Gefüge.
Vom physischen Ort zum Sozialgefüge und zur Institution
Schließlich wurden diese bewegungspolitischen Gruppen in den 1980er und 1990er-Jahren verstetigt und institutionalisiert. Janna Mareike Hilger nennt Frauencafés, Frauenbuchläden und Frauenfestivals. Auch die Gründung des ersten Tuntenhauses in Berlin geht in die 1990er-Jahre zurück.
"Die Geschichte von Safe Spaces ist durchzogen von Ausschlüssen. Es werden immer die gleichen Menschen ausgeschlossen: trans Menschen oder gendervariante Menschen und/oder Personen of Color."
*Hinweis: Noa heißt in Wirklichkeit anders. Er wollte nicht, dass sein bürgerlicher Name öffentlich genannt wird.