Säkularisation1801: Der Frieden von Lunéville
Der Frieden von Lunéville besiegelt 1801 das Ende des ersten Koalitionskrieges. Besitztümer der Kirchen gehen als Ausgleich für Verluste an deutsche Fürsten. Bis heute werden die beiden christlichen Kirchen dafür wiederum mit Hunderten von Millionen Euro vom deutschen Staat entschädigt.
Europa ist am Beginn des 19. Jahrhunderts in Aufruhr. Die Revolution in Frankreich hat den Dreiklang von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" über den Kontinent geweht und den europäischen Monarchen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Sie sind in Sorge, dass auch bei ihnen die Revolution ausbricht und sie einem Schicksal entgegensehen wie der französische König Ludwig XVI., der am 21. Januar 1793 durch die Guillotine hingerichtet wurde. Die Königshäuser des Kontinents schließen sich also zusammen und führen zwischen 1792 und 1801 die ersten beiden der insgesamt sieben Koalitionskriege.
"Das linksrheinische Deutschland ist 1801 – auch völkerrechtlich – mit dem Frieden von Lunéville an Frankreich abgetreten worden. Die Staaten, die linksrheinisch Verluste zu beklagen hatten – Baden, Württemberg, Bayern, Preußen, um die wichtigsten zu nennen –, denen wurde zugesichert, dass sie entschädigt werden sollten."
Mit dem Ende des ersten Koalitionskrieges wird im Oktober 1797 in Campoformio, in der italienischen Region Venetien, ein Frieden zwischen Frankreich und Österreich geschlossen, in dem Österreich die Annexion des linken Rheinufers durch Frankreich akzeptiert.
Erfolg für französische Außenpolitik: Rhein als "natürliche" Grenze
Damit ist ein lang gehegter Traum französischer Außenpolitik in Erfüllung gegangen: Der Rhein wird zur "natürlichen" Ostgrenze des Landes. Preußen, das der antifranzösischen Koalition ebenfalls angehört hat, ist schon zwei Jahre zuvor in einem gesonderten Friedensschluss aus dem Krieg ausgeschieden.
Geheim gehaltene Absprache zu Entschädigungen
Auf dem nun zu Frankreich gehörenden linken Rheinufer sind aber Besitzungen deutscher Fürsten und Könige, die für ihren Verlust – so die geheim gehaltene Absprache von Campoformio – auf der rechten Rheinseite entschädigt werden sollen. Diese Entschädigungsabsicht wird am 9. Februar 1801 im Frieden von Lunéville, der den zweiten Koalitionskrieg beendet, öffentlich gemacht: Die enteigneten deutschen Fürsten sollen durch Kirchengut auf der rechtsrheinischen Seite entschädigt werden.
Kirchen werden bis heute in Höhe von 549 Millionen Euro entschädigt
Diese Säkularisation wird 1803 mit einem Reichsdeputationshauptschluss in die Tat umgesetzt. Zwei geistliche Kurfürstentümer, neun Hochstifte und mehr als 40 Abteien werden aufgelöst, 45.000 Quadratkilometer Land wechseln ihren Besitzer, und etwa fünf Millionen Menschen haben einen neuen Landesherrn. Die beiden Kirchen bekommen von Gewinnern der Säkularisation eine Entschädigung, über deren Höhe in der Folgezeit entschieden wird.
Seitdem erhalten die beiden christlichen Konfessionen sogenannte "Staatsleistungen", die sich auf den Vertrag von Lunéville vom 9. Februar 1801 beziehen. Im Jahr 2019 überwiesen die Bundesländer als Rechtsnachfolger der ehemaligen deutschen Staaten des 19. Jahrhunderts 549 Millionen Euro als Ausgleich für den vor 220 Jahren erlittenen Schaden.
Ihr hört in Eine Stunde History:
- Der Journalist Johannes Willms erläutert die Ziele, die Napoleon mit dem Frieden von Lunéville verfolgte
- Der Historiker Winfried Müller beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Säkularisation auf die deutschen Länder des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation
- Die Deutschlandfunk-Redakteurin Christiane Florin erklärt den Umfang und die Bedeutung der Staatsleistungen für die katholische und die protestantische Kirche.
- Der Staatsrechtler Christian Hillgruber hat sich mit den Möglichkeiten beschäftigt, wie die Staatsleistungen beendet werden oder auslaufen könnten.
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld schildert die geopolitische Situation am Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Vertrag von Lunéville geschlossen wurde.
- Deutschlandfunk-Nova-Reporter Armin Himmelrath nimmt uns mit zu einem fiktiven Telefonat zwischen dem Dichter Friedrich Hölderlin und seinem Freund, dem Diplomaten Isaac von Sinclair, über den Frieden von Lunéville.