SabotageWie Russlands Geheimdienste Deutschland angreifen

Drohnen über Bundeswehr-Kasernen und Brandsätze in Paketen – russische Spionage und Sabotage in Deutschland nehmen massiv zu, sagen die deutschen Nachrichtendienste. Was will Russland mit diesen Attacken erreichen?

Die deutschen Nachrichtendienste – also der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der militärische Abschirmdienst – sind nicht unbedingt dafür bekannt, öffentlich in Erscheinung zu treten. Ihre Arbeit findet schließlich im Geheimen statt. Mitte Oktober 2024 jedoch haben sie Auskunft gegeben und dabei sehr direkt vor dem immer aggressiver werdenden Vorgehen russischer Geheimdienste gewarnt.

"Wir stehen in einer direkten Auseinandersetzung mit Russland, und die Feinderklärung hat Putin längst gegenüber uns vorgenommen."
Deutsche Nachrichtendienste beim Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages am 14.10.2024

Florian Flade ist Investigativreporter beim WDR und recherchiert unter anderem zu den Themen Spionage und Geheimdienste. Auch er bezeichnet die Entwicklung als "sehr beunruhigend". Hauptauslöser sei der Krieg in der Ukraine. In Westeuropa sei Russlands aggressiver werdendes Verhalten seit dem Herbst 2023 spürbar. In Osteuropa, etwa in Polen oder im Baltikum, sei es schon viel länger der Fall.

Sabotage als Teil der hybriden Kriegsführung

"Wir sehen zunehmend, dass es den russischen staatlichen Stellen nicht mehr nur um Spionage geht", erklärt Florian Flade, also beispielsweise um das Fotografieren von Militärtransporten oder das Auskundschaften von Waffenhilfen für die Ukraine. Vielmehr werden inzwischen Sabotageakte in ganz Europa ausgeübt, die mutmaßlich aus Russland gesteuert werden.

Es geht ganz konkret um Brandanschläge (wie der Brand im DHL-Logistikzentrum in Leipzig im Juli 2024), oder darum Waffenhilfe für die Ukraine aktiv zu verhindern und russische Oppositionelle sowie aus der Ukraine geflohene Menschen auszuspionieren

Zudem werden Menschen laut Florian Flade über Social Media (Telegram oder Snapchat) angeworben. Der Auftrag kann vergleichsweise harmlos wirken, also mal Fotos zu machen sei es von Bahngleisen, Einrichtungen oder Militärtransporten.

Es gebe aber auch Fälle, in denen Menschen Geld angeboten wird, um Straftaten zu begehen, zum Beispiel um Brandanschläge zu verüben. Das sei etwa in Großbritannien, Polen und Tschechien passiert, berichtet der Investigativreporter. Man geht davon aus, so Florian Flade, dass Russland das macht, weil nicht mehr genug Geheimdienstleute in Europa verfügbar sind. Schließlich seien nach Ausbruchs des Krieges in der Ukraine fast 700 russische Spione in Europa enttarnt worden.

Ängste schüren und Gesellschaft spalten

Der russische Geheimdienst nutzt Social Media darüber hinaus dafür, um gezielt Desinformationen und Russland dienliche Sichtweisen und Narrative zu verbreiten, erklärt der Investigativjournalist. Er nennt die sogenannte Doppelgänger-Kampagne, bei der bestehende Nachrichtenwebseiten, zum Beispiel von Der Spiegel, der Süddeutschen Zeitung oder der Bild-Zeitung gefälscht nachgebaut und darauf komplett gefakte Artikel platziert werden.

"Russland setzt seit einiger Zeit massiv auf Desinformation, um die Gesellschaft zu spalten und bestimmte politische Kräfte zu stärken."
Florian Flade, Investigativjournalist

Der vermehrte Einsatz von Desinformation, Sabotage und Cyberangriffen ist etwas, was Fachleute "hybride Kriegsführung" nennen. Es handelt sich dabei also nicht um einen "konventionellen Krieg" mit Panzern oder Raketen, sondern um viel niederschwelligere, indirekte Angriffe. Ein Beispiel aus Deutschland ist unter anderem der Cyberangriff auf die Postfächer führender SPD-Politiker*innen. Welche Angriffe noch auf Russlands Konto gehen oder hinter denen Russland vermutet wird, hört ihr in der Podcastfolge.

Ermittlungserfolge nach russischen Angriffen

Wie aber kann sichergestellt werden, dass der russische Geheimdienst hinter einem Anschlag steckt? Das ist natürlich nicht einfach, sagt Florian Flade, vor allem bei Cyberangriffen. Aber es gibt durchaus Ermittlungsverfahren und Verurteilungen von Personen, wie zum Beispiel bei den in Brand gesetzten Lagerhallen in Großbritannien. Dort waren Terminals untergebracht, mit denen eine Internetverbindung im ukrainischen Kriegsgebiet sichergestellt werden sollte.

Ermittler*innen gelingt es aber auch nachzuweisen, wie Menschen virtuell angeworben und mit Kryptowährung bezahlt werden.

Sabotage, Spionage, Russland gegen den Westen. Das alles klingt doch wie aus einem Film oder wie aus längst vergangen Zeit, kurzum es erinnert an den Kalten Krieg. Genau so ist es aber, sagt Florian Flade: "Meines Erachtens ist mit der Zeitenwende nicht nur Aufrüstung, Waffen und Panzer gemeint. Zeitenwende bedeutet auch, sich bewusst zu mache, dass wir uns in einer Auseinandersetzung befinden, die erst mal nicht enden wird." Damit ist nicht nur den Krieg in der Ukraine selbst gemeint, sondern auch die Auswirkungen und Angriffe im Sinne der hybriden Kriegsführung hier bei uns in Deutschland und im restlichen Europa.