RusslandMoskau wirft der Deutschen Welle Einflussnahme vor
Über 600 Festnahmen gab es am Wochenende bei Demonstrationen für faire und freie Wahlen in Moskau. Der Grund: Die Protestaktion war nicht nicht angemeldet. Schuld an den Demonstrationen sei die Deutsche Welle, sagt nun das russische Außenministerium.
Nach den Festnahmen in Russland hat die deutsche Bundesregierung Kritik am brutalen Vorgehen der Moskauer Polizei gegen die Demonstrierenden geübt. Außerdem wurde gefordert, die Menschen so schnell wie möglich wieder frei zu lassen. Das Außenministerium hingegen verbittet sich ausdrücklich die Einmischung in innere Angelegenheiten und übt zeitgleich Kritik am Sender Deutsche Welle. Die hätten nämlich, laut russischem Außenministerium, die Menschen in Moskau dazu aufgerufen, gegen die Regierung zu demonstrieren.
In einer Sendung des russischen Staatsfernsehens erklärte Maria Sacharowa, die Sprecherin des Außenministeriums, die Deutsche Welle habe auf Russisch den Aufruf verbreitet "Moskau, geh auf die Straße" beziehungsweise "Moskauer, geht auf die Straße". Was sie damit genau meint, ist aber unklar, sagt Korrespondent Thielko Grieß. Es gibt von der Deutschen Welle weder einen Artikel, noch irgendetwas in den sozialen Netzwerken, das genau so formuliert worden ist, sagt unser Korrespondent.
Thielko Grieß und auch die Deutsche Welle selbst vermuten, dass ein auf einer Seite eingebetteter Tweet gemeint sein könnte. Also, dass die Deutsche Welle im Zuge der Berichterstattung einen solchen Aufruf zum Beispiel der Organisatoren auf ihren Seiten eingebettet hatte. Der sei dann einfach der Redaktion zugeschrieben worden, erklärt Christoph Jumpelt, Sprecher der Deutschen Welle.
"Ich gehe davon aus, dass die Frau Sacharowa in ihren Äußerungen sich dann die Freiheit genommen hat, von uns zitierte Äußerungen der Demonstrations-Organisatoren unseren Redakteuren in den Mund zu legen."
Nicht nur Deutsche Welle im Fokus
Nicht nur die Deutsche Welle wird kritisiert. Auch die US-Botschaft in Moskau ist betroffen. Die hatte nämlich eine Warnung an US-Staatsbürger veröffentlicht, sich möglichst nicht in der Nähe der Demonstrationen aufzuhalten, weil die Gefahr bestehe, dort festgenommen zu werden. Dazu wurde eine Karte veröffentlicht, wo in Moskau wann demonstriert werden soll. Und diese Karte mit Zeitangaben war auf Russisch. Und in der Auslegung des Außenministeriums wird auch das als Aufruf gewertet. Und auch die der britische Sender BBC wird vom Außenministerium häufig kritisiert, weil er auf Russisch veröffentlicht.
"Es fällt auf: All jene, die auf Russisch publizieren, werden getroffen von solchen Vorwürfen. Mit anderen Worten: Den Deutschlandfunk oder mich hat es noch nicht getroffen, weil ich auf Deutsch rede."
Der Versuch, die Proteste als Ergebnis ausländischer Einflussnahme darzustellen, resultiert aus der Sorge heraus, dass es möglicherweise zu einer Revolution nach dem Muster der Ukraine kommen könnte, erklärt Thielko Grieß. Ähnlich wie bei den sogenannten Farbrevolutionen, also zum Beispiel der Orangen Revolution in der Ukraine 2004, bei der sich auch andere Staaten unterstützend eingemischt haben.
Von Seiten des russischen Außenministeriums wird darauf hingewiesen, dass die Deutsche Welle direkt von der Bundesregierung finanziert würde und keinen Journalismus mache, sondern Propaganda. Also das Sprachrohr der Bundesregierung sei. Wer sich das Angebot der Deutschen Welle ansieht, wird allerdings feststellen, dass das nicht der Fall ist, sagt Thielko Grieß: "Die machen sehr guten Journalismus, und diesen Vorwurf kann man nicht machen." Aber um das festzustellen, muss man sich das Angebot eben genau ansehen.
Ungeachtet dessen wurden allerdings Konsequenzen für die Deutsche Welle angekündigt. So gibt es ein Gesetz, das es zumindest ermöglicht, ausländische Medien als sogenannte ausländische Agenten zu bezeichnen. Die Folgen wären schwerwiegend, erklärt Thielko Grieß. Zum Beispiel müssten Sendungen als Produkt eines ausländischen Agenten gekennzeichnet werden und alle paar Monate wären bürokratische Rechnungsprüfer in der Redaktion. Der Aufwand wäre gigantisch, und es würde deutlich weniger Zeit bleiben für journalistische Arbeit.