Russischsprachiges SorgentelefonTrauma, Ängste, Einsamkeit
Seit dem Krieg in der Ukraine hat das russischsprachige Sorgentelefon "Doweria" sehr viel mehr zu tun. Rund um die Uhr hören Tatjana und ihre ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen zu und versuchen zu helfen.
Die Telefonseelsorge gibt es auch auf Russisch, sie ist in Berlin zu erreichen, unter der 030 / 440 308 454. Am anderen Ende der Leitung ist rund um die Uhr jemand da – jemand wie Tatjana Michalak, die den anonymen Anrufer*innen zuhört und weiterhilft, so gut sie kann.
Tatjana leitet die russischsprachige Telefonseelsorge bei der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Sie sagt: Seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine haben sich die Anrufe in ihrer Telefonseelsorge verdreifacht.
Sich den Kummer von der Seele reden
Auf zwei Leitungen können sich Menschen melden, denen es nicht gut geht, die Kummer oder Ängste haben und jemanden zum Reden brauchen. Das sind entweder russischsprachige Menschen, die schon in Deutschland leben. Oder die Anrufe kommen aus der Ukraine, aus Russland und anderen postsowjetischen Staaten.
"Die Geflüchteten aus der Ukraine rufen bei uns an mit finanziellen Problemen, mit posttraumatischen Belastungsstörungen, Sorgen um die Verwandtschaft in der Ukraine und um Informationen über das Leben hier in Deutschland zu bekommen."
Viele Menschen wählen die Nummer der Telefonseelsorge, weil sie einsam sind, sagt Tatjana. Der Krieg in der Ukraine habe die Situation aber stark verändert: Seither kämen viele Anrufe von ukrainischen Flüchtlingen, die zum Beispiel noch kein Deutsch sprechen. "Wir sind dann als erste Hilfe für sie da", so die Psychologin.
"Die seelischen Gespräche, die psychologische Entlastung, das können wir den Menschen geben."
Oft helfe es den Menschen, sich einfach auszusprechen. Und danach stelle sich manchmal wie von selbst die Lösung der Probleme ein oder eine Möglichkeit, weiter vorzugehen.
Weitervermitteln zu Ärzten oder Psychologen
Wenn das Gespräch allein aber nicht weiterhilft, dann vermitteln die rund 80 ehrenamtlichen Mitarbeitenden die Hilfesuchenden auch weiter an Spezialisten, die Russisch sprechen – an Ärzte, Psychologen oder Anwälte beispielsweise.
"Wir haben eine große Datenbank, in der wir russischsprachige Ärzte, Anwälte, Dolmetscher, Beratungsstellen oder Psychologen gesammelt haben."
Bei Doweria, was auf Deutsch so viel wie "Vertrauen" heißt, arbeiten ausschließlich Menschen aus dem postsowjetischen Raum, aus Kasachstan, Russland oder der Ukraine. Und laufend kommen neue ehrenamtliche Helfer*innen hinzu. Tatjana sagt: "Wir sind alle zusammen, Russen, Kasachen, Weißrussen, Ukrainer".
"Es ist schwer, jeden Tag davon zu hören, und unterschiedliche tragische oder traumatische Schicksale von Menschen zu erfahren."
Wenn sich die Lage im Kriegsgebiet verschärft, merkt Tatjana das auch an den Anrufen. Es sei schwer, jeden Tag die tragischen Schicksale mitzubekommen. Um damit umgehen zu können, setzt sich das Team regelmäßig zusammen und bespricht sich untereinander, um "das Leid, das wir hier anhören, zu verarbeiten", sagt Tatjana.
Lass dir helfen!
Wenn du selbst Probleme hast und keine Lösung findest, wende dich an eine anonyme Beratungs- oder Seelsorgestelle! Wir haben hier eine Liste von Anlaufstellen zusammengestellt.