Fußball als EmotionRudelgucken – die 90-Minuten-Gemeinschaft
Eine Europameisterschaft kann Menschen zusammenbringen. Gemeinsam Fußball zu gucken, hat nachweisbar einen positiven, emotionalen Effekt. Und mit etwas Glück kullern sogar Männertränen.
Immer, wenn mindestens fünf Menschen zusammen Fußball gucken, entsteht bereits ein Gemeinschaftsgefühl, beweisen Studien – sowohl vor dem Fernseher als auch beim Public Viewing oder live im Stadion. Sichtbarer Ausdruck davon ist beispielsweise die Stadionwelle, sagt der Sportsoziologe Jochem Kotthaus. Er lehrt an der Fachhochschule Dortmund und erklärt: "Wenn so eine Stadionwelle gemacht wird, ist man in der Pflicht, mitzumachen, weil das Ding sonst abreißt."
"Wenn neben ihnen Menschen tanzen und feiern, hat das eine Sogwirkung. Man macht das einfach mit."
Bei einem größeren Turnier hat das auch eine nationale Komponente. "Wir sehen das vor dem Hintergrund von Nationalität, wir wollen sozusagen eine Verbindung spüren", erklärt er diesen temporären Extra-Zusammenhalt auf Zeit.
"Gefühlstourismus" bei der EM
In der Psychologie nennt man solche Phänomene Stimmungsansteckung oder salopp Gefühlstourismus, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anne-Katrin Eutin. Sie guckt nur in Ausnahmefällen Fußball, lässt sich aber zum Beispiel bei so einer Europameisterschaft emotional durchaus anstecken. "Ja, ich habe Spiegelneuronen in mir", sagt sie.
"So fühle ich mich dann nämlich: Wie eine Touristin, die mal eine EM lang ins Fantum reinschnuppert."
Übrigens funktioniert diese emotionale Verstärkung in beide Richtungen, also auch bei einer Niederlage, erklärt Sportsoziologe Jochem Kotthaus: "Es funktioniert in der Freude genauso wie in der Trauer – oder der Gewalt."
Der Emotion sei es egal, ob sie normativ abgewertet oder als sehr positiv wahrgenommen wird.
Weinen als Gruppenerfahrung
Tatsächlich kann das ja auch etwas Schönes haben: Dass bei Männern die Tränen kullern, kann man noch am ehesten auf dem Spielfeld oder in der Fankurve sehen, sagt Anne-Katrin Eutin. Wenn ein Kollektiv weine, wirke das verstärkend und sei akzeptierter.