Journalist Ronen Steinke"Eine große Gefahr für die Demokratie geht vom Staat aus"
Der Verfassungsschutz hat Macht. Und er arbeitet meist im Verborgenen. Er kann Menschen das Leben schwer machen, die sich legal politisch engagieren. Jurist und Journalist Ronen Steinke sieht das kritisch. Und geht so weit zu sagen: Wir brauchen keinen Verfassungsschutz in Deutschland.
Ronen Steinke wartet noch auf Antwort. Er hat beim Verfassungsschutz angefragt, was der deutsche Inlandsgeheimdienst über ihn gesammelt hat. "Das kann jeder Bürger, jede Bürgerin machen", sagt der Jurist, allerdings gibt es eine Hürde: "Man muss nämlich erstmal darlegen, warum man denn glaubt, beobachtet zu werden." Heißt, um Auskunft zu bekommen, muss sich der oder die Anfragende sozusagen erst einmal selbst bezichtigen, Kontakte nennen, die kritisch sein könnten. "Das ist natürlich eine totale Abschreckung", sagt Ronen Steinke.
Steinke: Wie der Verfassungsschutz Politik macht
Jahrelang hat der SZ-Redakteur zum Verfassungsschutz recherchiert, sich mit Agenten getroffen und die Büroräume des deutschen Inlandsgeheimdienstes besucht. In seinem Buch "Verfassungsschutz: Wie der Geheimdienst Politik macht" geht Ronen Steinke ziemlich hart mit der Institution ins Gericht. "Ich sehe eine große Gefahr für die Demokratie, die vom Staat ausgeht", sagt er.
"Der Verfassungsschutz hat die aus meiner Sicht zu hinterfragende Macht, Leuten wegen ihres politischen Engagements das Leben schwer zu machen."
Ronen Steinke kritisiert, der Verfassungsschutz greife durch seien Arbeitsweise in politische Dynamiken ein und verändere diese – und das stärker als den meisten Menschen bewusst sei. Etwa, wenn der Geheimdienst öffentlich bekannt gebe, welche politischen Gruppen er beobachte. "Das erschwert es politischen Gruppen, Bündnisse zu schließen, das erschwert es politischen Gruppen überhaupt Leute zu mobilisieren," sagt er, "das ist eine problematische Macht, die eine Regierung, die ja den Verfassungsschutz steuert, in den Händen hält."
"Wir würden als Demokratie besser dastehen ohne eine solche Übergriffigkeit."
Ein Inlandsgeheimdienst, der Menschen allein wegen ihres legalen politischen Engagements dermaßen unter Druck setzen könne, sei innerhalb westlicher Demokratien ein absoluter Sonderfall, sagt Ronen Steinke. Er geht so weit zu sagen: "Wir brauchen keinen Verfassungsschutz".
"Warum braucht es bitte einen Geheimdienst, um eigentlich das zu machen, wofür wir die Polizei mal erfunden haben?"
Wie schwierig es ist, ein kritisches Buch über einen Geheimdienst zu schreiben und wie Ronen Steinke den Verfassungsschutz ersetzen würde, das hört ihr im Deep Talk mit Deutschlandfunk-Nova-Moderatorin Rahel Klein.