Urlaub und UmweltReiselust: Wie wir Übertourismus in den Griff kriegen können
Ein Jahr ohne Urlaub ist kaum vorstellbar. Doch der Massentourismus zur Hauptsaison stellt die Natur und einheimische Bevölkerung vor Herausforderungen. Claudia Brözel von der Hochschule Eberswalde kennt die Entwicklungen im Detail.
Auf den Balearen, aber auch an anderen Hotspots in Spanien gehen derzeit Menschen auf die Straßen und demonstrieren gegen den Massentourismus. Claudia Brözel von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) ist Tourismus-Expertin und sagt, dass etwa im Jahr 2017 mehr Menschen auf die Balearen gereist sind als im Jahr 2022 – denn das sind die aktuellsten Zahlen.
Das Dilemma mit dem Tourismus
Ein Teil des Problems sei die Coronapandemie gewesen. Während dieser Zeit waren Reisen kaum möglich. Und Einheimische an vielen Hotspots hätten gemerkt, was ihnen eigentlich durch die Touristenmassen abhanden kommt. In Venedig seien zum Beispiel Delfine in den Kanälen der Stadt aufgetaucht. "Es sind wirklich interessante Sachen passiert", sagt Claudia Brözel.
"Die Einheimischen merken, dass sie durch die Gäste seit Ende der Pandemie-Auflagen wieder ein wirtschaftlicher Faktor für die Region sind."
Die Feriengäste sind jedoch auch Lebensgrundlage für viele Einheimische. Laut ZDF ist der Tourismus auf den Balearen für 45 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich. Gleichzeitig merken die Menschen, dass die Einnahmen ungleich aufgeteilt sind. Ein Teil der Bevölkerung stelle fest, dass für sie kaum etwas abfällt, während auf der anderen Seite ihre Lebenshaltungskosten steigen.
Claudia Brözel erläutert, dass es für einen Teil der mallorquinischen Bevölkerung ein großes Problem ist. Denn es gebe auch keine Alternativen, um den Lebensunterhalt zu sichern. Dieses Dilemma ist nicht auf Mallorca beschränkt, sondern lässt sich an vielen Orten beobachten, wo ein großer Teil der Wirtschaftsleistung aus dem Tourismus kommt.
"Von was sollen die Menschen auf den Inseln leben, wenn kein Tourismus da ist? Von der Landwirtschaft können sie kaum leben, weil sie wenig Export haben."
Ein Problem sei, dass in der Vergangenheit sehr viel Marketing betrieben worden ist. Claudia Brözel sagt, die meisten Urlauber während der Hauptreisezeit im Sommert kommen aus Deutschland auf die Balearen oder auf die kanarischen Inseln. An zweiter Stelle folgen Urlauber aus England. Gezielte Maßnahmen, um Massentourismus einzudämmen, hält Claudia Brözel für sinnvoll. "Verantwortliche an überfüllten Urlaubsorten könnten zum Beispiel die Preise erhöhen", sagt sie. Auch andere Beschränkungen seien eine Möglichkeit.
"In Hamburg ist es beispielsweise schon so, dass, wenn ich eine Ferienwohnung besitze, darf ich die nur noch an einer bestimmten Anzahl von Tagen im Jahr vermieten."
Airbnb ist in Deutschland in vielen Städten verboten. In Amsterdam gibt es kein Tourismus-Marketing mehr. Airbnb wurde dort aus den Innenstädten ausgeschlossen. Claudia Brözel sagt: "Sehr viele Menschen haben auf den Balearen oder den Kanaren eine Zweitwohnung. Da müsste man einfach sagen, dass es ab einer gewissen Zahl keine Zweitwohnungen mehr gibt."
Tourismusbranche: Niedriglohnsektor – Geld reicht kaum zum Leben
Die Ausgaben der Bewohner*innen der Kanaren lagen Statistiken zufolge im Jahr 2022 bei 20 Millionen, auf den Balearen bei 17 Millionen Euro. Gleichzeitig generieren die Inseln als Urlaubsziel Einnahmen in Milliardenhöhe.
Ein Problem des Tourismus auf den spanischen Inseln ist laut Claudia Brözel, dass das Geld ungleich verteilt ist. Denn: Die Mitarbeitenden der Tourismusbranche auf den Inseln sind zu einem Großteil im Niedriglohnsektor beschäftigt, sie verdienen als Bar-, Hotel- oder Restaurantangestellte nicht viel. Der Lohn reiche nicht zum Überleben, sagt die Tourismus-Expertin.
"Die große Kritik der Bevölkerung ist, dass das große Geld aus dem Tourismus nicht im Land bleibt, sondern bei den internationalen Konzernen landet."
Die Tourismus-Expertin appelliert an Bürgerinnen und Bürger, sich vor der Reisebuchung Gedanken zu machen: "Wir sollten uns überlegen, ob wir wirklich im Sommer an die Hotspots reisen müssen. Das Reiseverhalten muss entzerrt werden. Eine Reise nach Venedig kann auch im November sehr schön sein", sagt Claudia Brözel. Durch die Pause während der Coronapandemie sei ein neues Bewusstsein dafür entstanden, dass es an vielen Stellen zu viel geworden ist, erklärt die Professorin.
Die Reiseexpertin hofft, dass mit kommenden Generationen auch ein anderes Bewusstsein in Bezug auf Reisen entsteht. "Junge Menschen wissen zum Beispiel, dass es große Müllprobleme auf den spanischen Inseln gibt", so Claudia Brözel. Dass das Essen von außerhalb auf die Balearen und Kanaren geliefert wird, sei ebenfalls seit den Siebzigern bekannt. Doch die Politik habe da bisher nie eingegriffen.
Eine besondere Belastung für jeweiligen Ferienziele sei der Kreuzfahrttourismus, da viele Leute dabei gleichzeitig an einem Punkt ankommen und sich – zum Beispiel – in der Altstadt versammeln. Das halten die Strukturen nicht aus, erklärt Claudia Brözel.