RechtsextremismusVerdächtiger Stephan E. – gefährlich und unbeobachtet

Der Tatverdächtige im Mordfall Lübcke hat immer wieder Straftaten begangen, die rechtsextremistisch motiviert waren. Grund für das Ende seiner Überwachung könnte eine längere unauffällige Phase sein, meint der Terrorismusexperte der ARD.

Die Ermittlungen im Mordfall des Politikers Walter Lübcke konzentrieren sich auf den Tatverdächtigen Stephan E. Seine DNA-Spur war am Tatort gefunden worden. Stephan E. war bis zum Jahr 2009 mit einer ganzen Reihe rechtsextremistisch motivierter Straftaten aufgefallen. Dazu gehören schwere Gewaltdelikte, Verbrechen, die sich gegen Menschen mit Migrationshintergrund und politisch Andersdenkende richten, bis zum versuchten Mord.

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Die Bundesanwaltschaft schreibt in einer Pressemittleiung, sie gehe allerdings auch der Frage nach, ob bislang unbekannte Tatbeteiligte oder Hintermänner in die Tat eingebunden waren. Anhaltspunkte für eine mitgliedschaftliche Einbindung des Beschuldigten in eine terroristische Vereinigung lägen bislang nicht vor.

Bewährungsstrafe 2009

Seit seiner Verurteilung 2009 in Dortmund zu einer Bewährungsstrafe - wegen eines Angriffs auf eine DGB-Kundgebung - sind seitens der Behörden keine weiteren Straftaten von Stephan E. dokumentiert worden.

Keine Straftaten, keine Überwachung

Holger Schmidt ist Terrorismusexperte der ARD. Er vermutet, dass Stephan E. für Polizei und Verfassungsschutz nicht zur Gruppe gefährlicher Neonazis gezählt habe und deshalb nicht observiert worden sei.

"Ich halte es für denkbar, dass – wenn er seit 2009 nichts mehr gemacht hat, was strafrechtlich relevant war – der Verfassungsschutz ihn aus den Dateien gelöscht hat."
Holger Schmidt, Terrorismusexperte der ARD

Holger Schmidt weist darauf hin, dass auch geheimdienstliche Informationen nicht unbegrenzt aufbewahrt werden. Wenn keine neuen Erkenntnisse vorliegen, würden diese auch gelöscht.

Rund 40 Neonazi-Gefährder in Deutschland

Insgesamt gelten 40 Rechtsextremisten als Gefährder und weitere rund 100 Menschen mit dieser ideologischen Ausrichtung als extrem gewaltbereit. Bei diesen beiden Gruppen gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden. Sie sind im Sicherheitsjargon relevante Personen.

"Es gibt an die 40 Neonazis in Deutschland, die unter den Gefährderbegriff fallen. Vielleicht an die 100 Personen werden als extrem gewaltbereit gezählt. In diesen beiden Personengruppen ist Stephan E. – Stand von vor dem Wochenende – nicht enthalten gewesen."
Holger Schmidt, Terrorismusexperte der ARD

Der Terrorismusexperte erinnert daran, dass es auch Spontantäter geben kann. Sie verbergen ihre eigene terroristische oder extremistische Gesinnung, sind aber dennoch überzeugt davon in deren Sinn handeln zu müssen.

"Es ist nicht immer eine terroristische Struktur. Es ist manchmal auch ein einzelner Täter."
Holger Schmidt, Terrorismusexperte der ARD

Umgekehrt ist eine allzu starke Einschränkung auf einzelne Täter der Justiz und den Ermittlungsbehörden wiederholt vorgeworfen worden – insbesondere im Bereich des Rechtsextremismus. Zuletzt bei den NSU-Ermittlungen und dem Verfahren gegen Beate Zschäpe und ihre Mittäter. Eine Ausrichtung die beispielsweise einer der Anwälte von NSU-Opfern, Mehmet Daimagüler, nachhaltig kritisiert hat.