Rechte GewaltRechtsextremismus ist auch ein kulturelles Phänomen
Wer Rechtsextremismus als rein politisches Phänomen betrachtet, blendet wichtige Zusammenhänge aus. Rechtsextreme Musik etwa ist Rekrutierungsmittel, Raum für Vernetzung, sozialer Kitt, identitätsbildend und kann radikalisieren. Christoph Schulze über die Geschichte des Rechtsrocks.
Rechtsrock und die dazu gehörenden Organisationen, Netzwerke und Freundeskreise waren mitentscheidend für die Milieubildung im rechtsextremen Lager, sagt der Politikwissenschaftler Christoph Schulze.
Geschichte der rechtsextremen Kultur
Zusammen mit Gideon Botsch und Jan Raabe hat Christoph Schulze die Geschichte des Rechtsrocks am Beispiel Brandenburgs untersucht. Die Ergebnisse sind in dem Buchband "Rechtsrock" erschienen. In seinem Vortrag erklärt der Politikwissenschaftler, warum es wichtig ist, die rechtsextreme Kultur zu erforschen, und zu welchen Ergebnissen sie gekommen sind.
"Der in einem engen Sinne politische Rechtsextremismus und der kulturelle Rechtsextremismus sind eng miteinander verwoben."
Musik sei sicher einer der wichtigsten Kulturformen für den Rechtsextremismus, aber natürlich nicht die einzige. Auch Comics etwa transportieren entsprechende Ideologien. Umgekehrt können sie aber auch aufklären: Das ist jedenfalls der Ansatz von Graphic Novel-Autoren und Autorinnen, die für die Bildungsarbeit rechte Gewalt in Comics zum Thema machen.
Die Politikwissenschaftlerin Anke Hoffstadt beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit der autobiografischen Graphic Novel "Drei Steine", in der Nils Oskamp seine persönliche Erfahrung von Gewalt durch Neonazis verarbeitet. Dabei zeigt sie beispielhaft, wie in Comics Formen und Dynamiken rechter Gewalt thematisiert werden. Ebenso, warum und wann das auch kritisch zu betrachten ist.
"Wie attraktiv ist Gewalt, gerade dann, wenn es um rechte Ideologien, um hegemoniale Männlichkeiten, um Faschismus geht?"
Zeithistorische Forschung zu Rechtsextremismus
Christoph Schulze ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Moses Mendelssohn Zentrum für Europäisch-Jüdische Studien der Uni Potsdam, seine Arbeitsschwerpunkte sind Antisemitismus und Rechtsextremismus. Sein Vortrag heißt "Rechtsrock – Zur Geschichte einer Kultur der extremen Rechten am Beispiel des Landes Brandenburg".
Anke Hoffstadt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Düsseldorf und beschäftigt sich schon lange mit Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus und Neonazismus. "Der Neonazi im Comic-Strip. Über Graphic Novels in der historisch-politischen Bildung" lautet der Titel ihres Vortrags.
Beide Vorträge wurden am 1. Februar 2019 im Rahmen des Workshops "Rechtsextremismus als Gegenstand der Zeitgeschichte" aufgezeichnet, der vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam veranstaltet wurde. Aus diesem Workshop ist übrigens der interdisziplinäre "Arbeitskreis zur Geschichte des Rechtsextremismus" entstanden, der später eine ganze Tagung zum Thema "Kontinuitäten rechter Gewalt" veranstaltet hat. Vorträge aus dieser Tagung zur Geschichte des Rechtsterrorismus und Rassismus gibt es im Hörsaal am 10. Oktober 2020.