Rechtsanwalt Udo VetterSchwarzfahren: "Strafen sind nicht Aufgabe des Staates"
Schwarzfahren ist in Deutschland eine Straftat. Für Wiederholungstäter kann es dafür hohe Geld- oder sogar Freiheitsstrafen geben. Rechtsanwalt Udo Vetter fordert dazu auf, das Augenmaß zu behalten. Denn die Verkehrsbetriebe könnten selbst dafür sorgen, dass es weniger Schwarzfahrern gibt.
Derzeit wird am Europäischen Gerichtshof der Fall von drei Belgiern verhandelt. Es geht um die Frage: Handelt es sich bei der Strafe für Schwarzfahren um Wucher? Die Schwarzfahrer-Wiederholungstäter mussten zwischen 880 und 2400 Euro zahlen. Für Rechtsanwalt Udo Vetter sind Fälle wie dieser problematisch – gerade im Rahmen der Gerechtigkeitsdebatte.
"Wenn Sie mit ihrem SUV vor dem Kölner Dom falsch parken, müssen sie ein Bußgeld zahlen. Wenn Sie aber für 2,80 Euro kein Bahnticket lösen, kriegen sie nicht nur ein Beförderungsentgelt von 60 Euro, sondern auch ein Strafverfahren. Das ist doch ein Widersinn."
Es gibt deshalb bereits Gesetzesinitiativen, um das Schwarzfahren von einer Straftat in eine Ordnungswidrigkeit herabzustufen, so Vetter. Er vermutet, dass der Bundesrat im nächsten Jahr dazu eine Entscheidung fällen wird.
Bessere Kontrollen der Verkehrsbetriebe nötig
Schwarzfahren sei natürlich nicht in Ordnung. Vetter stört sich aber an der Rolle des Staates bei der Bestrafung. Strafen für Schwarzfahrer seien eigentlich nicht Aufgabe des Staates. Der solle nur als letztes Mittel eingreifen. Vetter sieht stattdessen die Verkehrsbetriebe in der Pflicht, besser zu kontrollieren – beispielsweise durch die Einführung von Drehkreuzen vor den Haltestellen.
"Der Staat als Hilfssheriff dafür, dass die Verkehrsbetriebe selber gar nicht richtig kontrollieren – da scheint irgendetwas im System falsch zu sein.“
Durch die Geldstrafen entstehe schnell ein Teufelskreis. Denn bei vielen Schwarzfahrern handle es sich um Menschen, die sich kein Ticket leisten können. Bereits nachdem sie das zweite Mal erwischt worden sind, droht ihnen eine Geldstrafe. Viele Menschen aus sozial schwächeren Verhältnissen könnten die dann ebenfalls nicht bezahlen – und dafür im Gefängnis landen. Als Ersatzfreiheitsstrafe für die ausbleibende Zahlung.
"Die können eine Geldstrafe von 300 Euro bekommen, müssen dafür dann aber 10 Tage in den Knast, weil sie diese 300 Euro nicht bezahlen können."
Durch diese Freiheitsstrafen würden jedes Jahr in Deutschland bis zu 7000 Menschen in bundesdeutschen Gefängnissen sitzen, die den Staat jährlich 15 Millionen Euro kosten. Vetter sagt, dass im Endeffekt der Steuerzahler dadurch belastet wird, dass die Verkehrsbetriebe nicht vernünftig kontrollieren. Härtere Strafen für Wiederholungstäter will er dabei gar nicht ausschließen. Doch er sieht die Verkehrsbetriebe in der Pflicht, vorher ihre Methoden zur Kontrolle zu verbessern und fordert die Politik auf, Schwarzfahren zu entkriminalisieren.