RaumfahrtPläne für Weltraumbahnhof in der Nordsee
Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat ein Konzept für einen Weltraumbahnhof in der Nordsee vorgelegt. Astrophysiker Michael Büker konnte die nichtöffentlichen Pläne einsehen und erklärt die Details.
Es gibt ja einige bekannte Raketenstartplätze: Korou, Cape Canaveral, Baikonur... Was sie gemeinsam haben: Sie sind ganz schön weit weg von uns. In Europa gibt es derzeit keinen Weltraumbahnhof. Das könnte sich aber ändern – zumindest, wenn es nach dem Bundesverband der Deutschen Industrie geht. Der hat hat ein Konzept für eine solche Basis in der Nordsee vorgelegt, laut Medienberichten prüft das Bundeswirtschaftsministerium das gerade.
Unser Mann fürs Extraterrestrische, der Astrophysiker Michael Büker, konnte das unveröffentlichte Strategiepapier und die nichtveröffentlichte Studie für die Startplatzwahl einsehen. Es geht um ein Gebiet weit hinter den friesischen Inseln, dem letzten Zipfelchen Deutschlands hinter einem Naturschutzgebiet etwa auf halbem Wege zwischen deutschem und schottischen Festland.
Nordsee einzig möglicher Ort in Deutschland für Weltraumbahnhof
Dort liegt die letzte Ecke der sogenannten "ausschließlichen Wirtschaftszone", ein Seegebiet, in dem Deutschland noch gewisse Hoheitsrechte besitzt. Dort sollen die Raketen dann entweder von einer im Meeresboden verankerten Startplattform oder von einem Schiffsdeck aus starten.
Für solche Startplätze in Nordeuropa gibt es einige Kandidaten, erklärt der Astrophysiker, etwa in Schottland oder Norwegen. Wichtig immer: Es darf dabei kein bewohntes Land überflogen werden, weil Teile herunterfallen könnten. Und dieses angepeilte Eckchen in der Nordsee ist eben der einzige Ort in Deutschland, wo das machbar wäre.
Nicht alle Raketen könnten in der Nordsee starten
Von der Lage eines Weltraumbahnhofs hängt außerdem ab, welche Art Rakete man in welche Umlaufbahn bringen kann, erklärt Michael Büker. Für den Start von der Nordsee aus kämen kleinere Raketen infrage, die auf sogenannte polare oder sonnensynchrone Umlaufbahnen gebracht werden, also über Nord- oder Südpol immer um die Erde herum.
"Das könnten Satelliten zur Erdbeobachtung oder für Spionage sein. Das wird auch in dem Papier erwähnt, dass die Bundeswehr dann einen direkten Zugang zum All hätte."
Zweck könnte sein, die Erde zu beobachten oder Spionage zu betreiben, auch Kommunikationssatelliten könnten von dort aus ins All gebracht werden. Allerdings könnte man mit solchen Raketen auf solchen Umlaufbahnen keine dauerhafte Kommunikation mit einem einzigen Satelliten erreichen, der beständig über Deutschland oder Europa stünde, sagt Michael Büker. Das ginge nur zeitlich begrenzt oder mit sehr vielen Satelliten.
Bürokratische Hürden und Standortnacheile
Abgesehen davon, dass man von der Nordsee aus ohnehin nur kleine Raketen auf begrenzte Umlaufbahnen schicken könne, sieht Michael Büker noch weitere Nachteile bei dem Vorhaben. Er erwartet vor allem große bürokratische Probleme. Außerdem dürften Schiffs- und Flugverkehr nicht beeinträchtig werden.
"Wenn man alle Nachteile bedenkt, dann klingt es für mich ein bisschen so, als hätten sich Österreich und die Schweiz plötzlich in den Kopf gesetzt, sie bräuchten wieder eine Hochseeflotte."
Grundsätzlich findet Michael Büker die Idee charmant, dass deutsche Firmen direkt von einem eigenen Platz in der Nordsee aus ins All starten könnten. Mit Blick auf die zu erwartenden Probleme meint er aber, dass es wohl doch besser sei, sich im Verbund mit der Europäischen Raumfahrtagentur oder der Europäischen Union zu überlegen, wo die geografischen Bedingungen für ein solches Projekt geeigneter wären.
Michael Büker erklärt auch, welche Raketen genau aus der Nordsee starten könnten und wer ein Interesse an dem Projekt hat. Das ganze Gespräch hört ihr, wenn ihr oben auf den Playbutton klickt.