Raubgut aus der KolonialzeitBibel und Peitsche gehen zurück nach Namibia
Nach 120 Jahren bringen Deutsche Politiker eine Bibel und eine Peitsche des namibischen Volkshelden Hendrik Witbooi zurück nach Namibia. In der Zeit von 1884 bis 1915 stand das Land unter deutscher Kolonialherrschaft. In dieser Zeit sind zehntausende Kulturgüter nach Deutschland gebracht worden.
Das Stuttgarter Lindenmuseum hat heute (28.2.) zwei Artefakte aus der Sammlung mit einer Delegation zurück nach Namibia geschickt: Eine Bibel und eine Peitsche. Die beiden Objekte sind Hendrik Witbooi geraubt worden, einem namibischen Nationalheld. Die ganze Geschichte ist 1896 passiert, als Namibia noch unter der Kolonialherrschaft des deutschen Kaiserreichs gestanden hat.
"Für diesen kleinen Ort war das das Mega-Ereignis."
Unsere Korrespondentin Christiane Habermalz hat die Rückgabe-Zeremonie in Namibia begleitet. Übergeben wurden die Bibel und die Peitsche in dem kleinen Ort Gibeon, in dem die Nachfahren von Hendrik Witbooi heute noch leben. Christaine Habermalz sagt: "Das war ein ganz wichtiger, symbolischer Moment, dass das heute hier in Gibeon stattgefunden hat." Zunächst war lange darüber diskutiert worden, wo die Übergabe stattfinden könnte. Schließlich einigte man sich in Namibia mit diesem Zugeständnis an die Familie Witbooi. Von Gibeon aus werden die Objekte dann weiter an den namibischen Staat gehen und damit an das Nationalmuseum.
Hendrik Witbooi war ein Nationalheld
Die Bibel und die Peitsche haben bis 1896 Hendrik Witbooi gehört, dann kamen die deutschen Kolonialherren und haben seine Siedlung eingenommen, erklärt Christiane Habermalz: "Damals sind auch viele Frauen und Kinder umgebracht worden. Das war eins der ersten Massaker der deutschen Kolonialzeit." An dieses Gefecht von Hornkranz erinnert sich in Namibia noch jeder.
Hendrik Witbooi wird in Namibia als Nationalheld gefeiert. Auch deswegen, weil er unter der deutschen Kolonialherrschaft geschickt versucht hat, mit den Deutschen aber auch mit anderen afrikanischen Staatsoberhäuptern zu verhandeln.
Das erste Kulturgut, das nach langer Zeit zurückkehrt
In Namibia spielt die Rückgabe eine enorm Rolle. Der Staatspräsident und die Ministerin für Bildung, Kunst und Kultur haben die Objekte von der Baden-Württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer entgegengenommen. Die Geste wird in Namibia hoch angesehen, allerdings erwartet man dort auch noch mehr, denn das Kapitel der deutschen Kolonialherrschaft – auch mit dem Völkermord an den Herero – ist längst noch nicht vollständig aufgearbeitet.
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