TierschutzRattengift: Risiko für die Artenvielfalt
Es ist seit Jahrzehnten ein bewährtes Mittel gegen Nagetiere: Gift. Forschung aus den USA zeigt nun aber, dass Mäuse- und Rattengift auch für Vögel, Igel und Insekten gefährlich sein kann. Angesichts bedrohter Arten eine besorgniserregende Nachricht.
Mäuse oder Ratten auf der Terrasse oder im Garten – für viele ist das eine richtig eklige Vorstellung. Außerdem bergen beispielsweise Wanderratten eine Gesundheitsgefahr. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es aber eine einfache Lösung gegen sie: Gift.
In Deutschland liegt es oft an den Fassaden von Wohnhäusern in kleinen schwarzen oder silbernen Behältern, auf denen so etwas steht wie: Vorsicht, Ratten und Mäusegift.
Kritik an laienhaftem Umgang mit Gift
Die meisten Gifte wirken so, dass Ratten und Mäuse innerlich verbluten – mit Gerinnungshemmern, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Verena von Keitz. Im Wissenschaftsmagazin Science haben Fachjournalist*innen nun einen Artikel veröffentlicht, nach dem Rattengift nicht nur dazu führt, dass die Nagetiere elendig verenden, vielmehr habe das Gift zur Folge, dass auch andere Tierarten deswegen leiden und gefährdet sein können.
"Das Problematische an den Giftstoffen ist, dass sie ziemlich lange zum Teil über ein Jahr im Gewebe bleiben."
Es gibt zwei Szenarien, wie das Gift in den Kreislauf anderer Lebewesen gelangen kann, erläutert Verena von Keitz. Raubtiere fressen Mäuse und Ratten, die Gift gefressen hatten. Es gibt einige Studien aus Wildtier-Rettungsstationen in den USA und Europa, laut denen Gift in Gewebe- oder Blutproben kranker oder toter Wildtiere gefunden wurde. Ein Beispiel aus Italien: Dort hat man in den vergangenen Jahren in jedem dritten toten untersuchten Wolf mindestens ein Nagertiergift nachweisen können. Solche Gifte sind aber auch in Igeln in Großbritannien entdeckt worden.
Zusätzliche Bedrohung für ohnehin bedrohte Arten
Igel essen zwar keine kontaminierten Nagetiere, aber dafür Schnecken, Würmer und Käfer. Forschende vermuten, dass die Insekten vorab mit dem Gift in Kontakt gekommen sein müssen, womöglich weil das Rattengift nicht ordentlich gelagert worden war und dann ins Erdreich sickerte. Genauso könnten auch Fledermäuse oder Frösche indirekt Gift aufnehmen, die auch Insekten fressen, fügt Verena Keitz hinzu.
Frisst beispielsweise ein Vogel ein kontaminiertes Tier, dann nimmt er auch was von dem Gift auf. Zwar verblutet der Vogel dann nicht unbedingt direkt, erklärt Verena von Keitz, aber möglicherweise beeinträchtigt das Gift seine Blutgerinnung. Im Falle einer Verletzung kann es also sehr gut sein, dass der Vogel stirbt.
"Im Internet bekommt man das auch in Deutschland ganz leicht eimerweise. Aber nicht jeder weiß, wie man das sicher einsetzt."
Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat 2023 elf gebräuchliche Ratten- und Mäusegifte untersucht. Das Ergebnis: In Zukunft könnten dadurch rund 200 von gut 1.800 bedrohten Tierarten in den USA gefährdet sein. Das wären rund zehn Prozent, die noch stärker bedroht wären also ohnehin schon, sagt Verena von Keitz. Deshalb fordern Artenschutz-Fachleute, den Verkauf und die Nutzung von Giften stärker zu regulieren und zu kontrollieren. Eine weitere Schlussfolgerung liegt laut Verena von Keitz auf der Hand: Es muss noch viel mehr geforscht werden, um eine Möglichkeit zu finden, Nagetierplagen in den Griff zu bekommen, ohne andere Arten in Mitleidenschaft zu ziehen.