Strategien der EntmenschlichungRassismus und Sklaverei in den USA
Vor einem Jahr starb George Floyd - ein schwarzer Bürger, dem ein weißer Cop das Knie auf den Hals drückte, bis er erstickte. Wie Entmenschlichung und rassistische Überzeugungen in den USA seit der Sklaverei immer wieder verändert und fortgeschrieben wurden, erzählt der Amerikanist Michael Hochgeschwender.
Als "besondere Institution" wurde die Versklavung von Menschen in den Südstaaten der USA etwas verschämt bezeichnet, als: "peculiar institution". Der Theologe und Amerikanist Michael Hochgeschwender hat untersucht, wie die Institution Sklaverei historisch begründet wurde, welche Modelle von Leibeigenschaft ihr vorausgingen und welche Rolle ökonomische Gründe bei ihrer Befürwortung oder Ablehnung spielten.
"Im Norden wurde seit 1778 schrittweise die Sklaverei abgeschafft, aber viele Arbeitsplätze blieben trotzdem in der Textilindustrie verortet, weswegen es auch im Norden ein erhebliches Interesse daran gab, die Sklaverei nicht abzuschaffen."
Die Entmenschlichung wurde flexibel eingesetzt und mehrfach neu verhandelt. Amerikanische Ureinwohner, Iren, verschleppte Afrikaner – sie alle wurden zeitweise eher als Tiere denn als Menschen behandelt. Die europäische Aufklärung lieferte Argumente für diesen vermeintlich wissenschaftlichen Rassismus: Immanuel Kant und John Locke entwickelten die entsprechenden Theorien.
"Diese Unmöglichkeit, Rechte als Bürger zu erwerben, teilten sie mit Kindern, Wahnsinnigen und Frauen. Das sind die anderen Gruppen, die bei John Locke ausgeschlossen wurden."
Michael Hochgeschwender zeigt in seinem Vortrag die Unterschiede zwischen der Sklaverei in den USA und in der Karibik auf und geht auch auf die Binnenunterschiede in den US-amerikanischen Bundesstaaten ein. Auch die Versklavten selbst, vor allem die männlichen, wurde im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Attributen versehen. Erst eher als zu erziehende Kinder, dann als "black perpetrators", also: "schwarze Täter". Und mit diesen Zuschreibungen wuchs auch die Angst vor ihnen.
"Wenn man die Tagebücher der Sklavenhalter dieser Zeit liest, wird klar, mit welcher Geschwindigkeit sich Hass aufbaut."
Die ehemaligen Sklavenhalter befürchten nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg Racheakte ihrer ehemaligen Leibeigenen. Diese Rachetaten gab es de facto nicht, sagt Michael Hochgeschwender.
Lynchmorde mit Publikum
Aber allein zwischen 1890 und 1925 wurden im amerikanischen Süden 3.200 Menschen rituell gelyncht, 90 Prozent davon waren schwarze Männer. Diese Lynchmorde fanden nicht im Geheimen statt. Der Historiker berichtet, dass diese Taten oft im Vorfeld angekündigt und plakatiert wurden, manchmal wurden Eintrittskarten dafür verkauft.
"Interessanterweise gab es praktisch keine Racheakte. Das Hauptinteresse der Schwarzen lag darin, ihre Familien zusammenzusuchen und sich Schulen zu bauen, um über Bildung einen Zugang in die amerikanische Gesellschaft zu finden."
Hinweis: Der Redner beschäftigt sich unter anderem mit rassistischen Bezeichnungen und Konzepten und er benennt diese auch in diesem Vortrag.
Der Vortrag:
Michael Hochgeschwender ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seinen Vortrag mit dem Titel "Rassismus in den USA" hat er auf Einladung von VHS Wissen live gehalten, veranstaltet von der Volkshochschule im Landkreis Erding und der Volkshochschule SüdOst im Landkreis München. Den Begriff "strukturellen Rassismus" findet er mitunter unpräzise.