Quereinsteiger im BerufWenn dein Plan B aufgeht
Mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer arbeitet fachfremd, so eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Aber wie kommen wir zurecht in einem Job, für den wir eigentlich gar nicht qualifiziert sind? Wir haben mit drei Quereinsteigern gesprochen.
Bei früheren Generationen verlief das Berufsleben oft geradliniger: Schule, Ausbildung oder Studium - und dann bis zur Rente ein und derselbe Job. Inzwischen wechseln viele von uns mehrfach im Laufe ihres Berufslebens den Arbeitgeber. Jeder Fünfte ist laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung gar nicht ausreichend qualifiziert für den Beruf, in dem er arbeitet.
"Den Leuten irgendwelche Produkte oder Dienstleistungen schmackhafter zu machen - das hat mich persönlich nicht ausgefüllt. Ich habe darin nicht den großen Sinn für mich gesehen."
Bei denjenigen, die keinen Abschluss haben, ist das noch extremer. In dieser Gruppe führt jeder Zweite Tätigkeiten aus, für die er eigentlich einen Berufsabschluss bräuchte. Laut Studienautoren besteht die Gefahr, dass diese Mitarbeiter nicht so wertgeschätzt werden, wie diejenigen, die über die notwendige Qualifikation verfügen. Unser Reporter Nico Rau hat Rabea, Lena und Niko getroffen - alle drei sind Quereinsteiger.
Programmieren statt Literaturwissenschaft
Niko beispielsweise hat Literaturwissenschaften studiert. Heute arbeitet er für einen mittelständischen Online-Shop. Die Software für das Lager des Shops hat er programmiert. Während seiner Schulzeit hat er sich selbst beigebracht, zu programmieren.
Lena wiederum ist gelernte Kinderkrankenpflegerin. Allerdings fand sie die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus nicht so gut: anstrengender Schichtdienst und wenig Erholung. Heute arbeitet sie als Erzieherin.
"Dadurch, dass das Gesundheitssystem ja schon relativ kapitalisiert ist in Deutschland, hast du eigentlich Fließbandarbeit gemacht und mit den Patienten, gerade mit den Kindern, nicht viel am Hut gehabt. Ich bin immer mit einem unfertigen Gefühl nach Hause gegangen. Das war total unzufriedenstellend."
Ein Nachteil, den die Studienautoren der Bertelsmann Stiftung sehen, ist, dass weniger qualifizierte Arbeitnehmer in vielen Fällen sieben bis 11 Prozent weniger verdienen. Sie fürchten auch, dass sie schlechtere Chancen haben, wenn sie den Arbeitsplatz wechseln müssen, weil sie manche Voraussetzungen auf dem Papier nicht mitbringen.
Lena, Niko oder Rabea haben allerdings von ihren neuen Kollegen Unterstützung bekommen. Und sie haben nie die Erfahrung gemacht, dass sie weniger wertgeschätzt werden, weil sie ihren Job auf dem Papier nicht gelernt haben.
Quereinstieg als Chance
Trotzdem: Die Autoren der Studie fordern, dass Fähigkeiten, die wir uns im Berufsleben aneignen, besser anerkannt werden. Das würde zum einen bestehende Ungerechtigkeiten ausgleichen. Zum anderen würde es die Chance bieten, dass der Fachkräftemangel durch Quereinsteiger ausgeglichen wird.
Mehr zu Job und Ausbildung:
- Italien: Zehn Arbeitsverträge im Jahr sind normal | Hielscher oder Haase - Deutschlandfunk Nova
- Bewerbung: Ich kann! Wer braucht? | Einhundert - Deutschlandfunk Nova
- Verpatztes Bewerbungsgespräch: Nutze deine zweite Chance | Endlich Samstag - Deutschlandfunk Nova