Angriffe auf LGBTQI-PersonenQueerfeindliche Straftaten: starke Zunahme, hohe Dunkelziffer
Zunehmende Gewalt gegen LGBTQI-Menschen beschäftigt die Innenpolitik. Julian Fischer berät und hilft Opfern in Köln. Die Dunkelziffer ist hoch, denn Angst steht einer Anzeige häufig im Weg, sagt er.
Im Jahr 2022 wurden laut Statistik des Bundeskriminalamts 1.005 Straftaten im Bereich sexuelle Orientierung registriert. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 15 Prozent. Hinzu kommen 417 Vergehen im Bereich geschlechtsbezogene Diversität. Diese Kategorie ist in der Statistik neu hinzugekommen.
"Immer wenn queere Menschen sichtbar werden, gibt es auch eine Gefahr dafür, dass in einer Form Gewalt stattfindet", sagt Julian Fischer. Diese erschreckende Tatsache kennt er von seiner Arbeit. Er berät für den Verein Rubicon Betroffene in Köln.
Sichtbarkeit bedeutet Gefährdung
Bereits mit der Sichtbarkeit der eigenen Identität ist für LGBTQIA+ also schon eine Gefährdung verbunden. Diese beginnt oft mit verbaler Gewalt, berichtet Julian Fischer. "Aus Beschimpfung wird häufig auch körperliche Gewalt", sagt er.
"Sehr viele Menschen wollen die Erfahrung aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Anzeige bringen – hauptsächlich ist es Angst."
Der Beratungsansatz des Vereins ist zunächst, die Erfahrung der Menschen, die dorthin kommen, nicht in Frage zu stellen. "Personen kommen zu uns, und wir glauben Ihnen erst mal", sagt er. Den Schritt, Täter*innen anzuzeigen, gehe viele aus Angst dann nicht. Das kann Angst vor Diskriminierung oder Unverständnis seitens der Polizei sein, aber auch Angst davor, in der eigenen Familie geoutet zu werden.
Regenbogenkompetenz in der Polizeiausbildung
Dass die Innenministerkonferenz das Thema auf der Tagesordnung hatte, freut ihn. Sie hat vom 14. bis zum 16. Juni 2023 in Berlin stattgefunden. Es bleibe aber abzuwarten, wie viele Ressourcen dann bei der Polizei beispielsweise in der Ausbildung tatsächlich eingesetzt werden.
Im Vorfeld der Konferenz hatten Vertreter von Schwulen-, Lesben- und Transverbänden – auch Julian Fischer – mit Wissenschaftler*innen und Polizist*innen im Auftrag der Innenministerkonferenz einen Bericht ausgearbeitet. Darin geht es auch um die Einführung des Konzepts von Regenbogenkompetenz in der Polizeiausbildung. Im Bericht werden auch Wege aufgezeigt, die unzureichende statistische Erfassung queerfeindlicher Straftaten zu verbessern.
"Es gibt sehr unterschiedliche Baustellen, an denen gearbeitet werden muss."
Unser Bild zeigt eine Trans-Pride-Fahne, die mit bemalten Steinen beschwert ist. Sie erinnerte an einen 25-jähriger Transmann, der beim Christopher Street Day 2022 in Münster niedergeschlagen und schwer verletzt wurde. Zum Zeitpunkt der Aufnahme lag der Mann noch im künstlichen Koma. Wenig später verstarb er an der Kopfverletzung.