Public ShamingDer digitale Pranger kann Existenzen vernichten
In den USA ist das Public Shaming weiter verbreitet als bei uns, auch weil die Privatheits- und Datenschutzkultur das begünstigt. In Deutschland ist das zum Glück anders, sagt der Medienforscher Oliver Zöllner.
Eines der bekanntesten Beispiele für Public Shaming, also das öffentliche An-den-Pranger-Stellen, ist eine Frau, die einen humorvoll gemeinten, aber rassistisch ausgedrückten Tweet veröffentlichte. Kurz darauf brach eine Welle der Entrüstung im Netz los, sie verlor ihren Job, ihr Leben war nach dem Tweet ein anderes.
"Man hat in Deutschland zu Recht ein schlechtes Gefühl dabei, solche Mittel wie den digitalen Pranger einzusetzen."
Der Shitstorm kann eine Begleiterscheinung des Public Shaming sein, sagt Oliver Zöllner, Professor für Medienforschung und Digitale Ethik an der Hochschule der Medien Stuttgart. Allerdings gehe es hier mehr um eine große Aufregung, darum, dass Menschen Dampf ablassen. Das Public Shaming kann auch ganz unaufgeregt, rational und geplant vonstatten gehen.
In den USA sei das Public Shaming gar nicht so selten, sagt Zöllner - so würden zum Beispiel kalifornische Behörden seit 2007 die Namen von Steuersündern öffentlich machen, was in Deutschland verboten ist. "USA und Deutschland haben zwei unterschiedliche Privatheits- und Datenschutzkulturen, und sind dabei sogar ziemlich extreme Pole", sagt Zöllner.
"Public Shaming darf nicht die Grenze zur üblen Nachrede überschreiten."
Zöllner sieht nicht die Gefahr, dass es in Deutschland irgendwann mal weit verbreitet ist, Menschen online an den Pranger zu stellen und eine Art Selbstjustiz zu betreiben - auch, weil wir eine Geschichte der NS-Diktatur haben, in der es weit verbreitet war, Menschen öffentlich zu kompromittieren. Und doch: "Möglicherweise fühlen sich unter dem Eindruck der USA auch hier manche dazu verleitet, das nachzumachen. Wenn es dort möglich und legal ist, warum versuche ich das nicht hier auch mal?"
Public Shaming kann in manchen Fällen aber auch etwas Gutes haben, zum Beispiel, wenn unethisches Verhalten von Unternehmen kritisiert wird, sagt Zöllner. "Es darf nur nicht die Grenze zur üblen Nachrede überschreiten."
Scham als politisches Mittel
Die US-amerikanische Umweltforscherin und Internetaktivistin Jennifer Jacquet hat zum Thema ein ganzes Buch geschrieben: "Scham. Die politische Kraft eines unterschätzten Gefühls." Sie ist überzeugt: "Dieses neue Weltzeitalter braucht neue Regeln, und bei deren Durchsetzung wird die Scham eine große Rolle spielen."