PsychotherapieWenn wir wieder alleine klarkommen
Annika war eineinhalb Jahre in Therapie. Der Gedanke an ihre letzte Sitzung hat ihr Angst gemacht. Sie berichtet, wie sie jetzt alleine klarkommt. Psychologin Katharina Geier gibt Tipps, wie wir damit umgehen können, wenn unsere Therapie zu Ende geht.
Bei ihrer letzten Therapiestunde hat sich Annika glücklich gefühlt, aber auch überfordert. "Zu dem Zeitpunkt dachte ich, dass ich alleine alles schaffe und superstark bin", sagt sie einerseits. Auf der anderen Seite war Annika auch traurig, dass sie sich erst mal von ihrer Therapeutin verabschieden muss. Über ein Jahr lang war sie einmal pro Woche bei ihr in der Praxis.
Sie hat ihre Therapeutin auf eine Art lieb gewonnen, erzählt sie. Für Annika war sie eine Person, die vieles aus ihrem Leben kennt und gleichzeitig außen vor ist, sodass sie Annikas Leben objektiv beobachten kann – wie eine Stütze aus einer freundlichen Distanz. Als es dann auf das Therapieende zuging, war da diese bunte Mischung aus Gefühlen.
"Kurz nach dem Ende der Therapie ging es mir super. Wenn noch was kommt, wusste ich, wie ich damit umzugehen habe. Dann kam aber doch viel auf einmal zusammen."
Langsam auf das Ende vorbereiten
Die letzte Sitzung kam aber nicht plötzlich. Annika und ihre Therapeutin haben sich dem Ende der Therapie in kleinen Schritten angenähert. Zunächst haben sie sich alle zwei Wochen statt zuvor wöchentlich getroffen.
Weil es Annika damit gut ging, haben sie den zeitlichen Abstand dann weiter vergrößert und Annika ist nur noch einmal im Monat zur Therapie gegangen. "Dann hat sie ein abschließendes Gespräch mit mir geführt und mich gefragt, wie es mir aktuell geht. Zu dem Zeitpunkt ging es mir wirklich sehr gut", erinnert sich Annika.
Puffersitzungen für den Notfall
Sie wusste auch: Es sind noch zwei Puffersitzungen übrig. Die kann sie auch nach dem eigentlichen Ende ihrer Therapie nutzen, sollte es ihr doch nicht mehr so gut gehen. In der ersten Zeit, nachdem die Therapie ausgelaufen ist, war auch alles okay, sagt sie. In der Therapie hatte sie zudem viele Strategien und Hilfestellungen kennengelernt, die sie gut auch alleine anwenden kann.
Angefangen hatte sie die Therapie damals, weil sie bei sich eine depressive Episode bemerkt hat. "Ich hatte extrem starke Stimmungsschwankungen und Gefühlsausbrüche im Sinne von Wutausbrüchen, die ich von mir überhaupt nicht kannte", erzählt sie. In der Therapie hat sie gelernt, damit umzugehen.
Wenn es uns doch wieder schlecht geht
Erstmal ging es ihr gut. Aber ungefähr vier Monate nach dem Therapieende kamen so viele stressige Situationen zusammen, dass Annika nicht mehr alleine damit umgehen konnte. Also hat sie eine von ihren beiden Puffersitzungen in Anspruch genommen, was ihr auch geholfen hat. Rückblickend hätte sich Annika allerdings gewünscht, auf noch etwas mehr Puffer zurückgreifen zu können als nur zwei Sitzungen.
"In den letzten Sitzungen finde ich es sehr gut, das Thema Rückfallprophylaxe zu thematisieren."
Katharina Geier ist Psychologin und macht derzeit eine Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin. Sie empfiehlt: Wenn es auf das Ende einer Therapie zugeht, sollten Therapeut*in und Patient*in am besten gemeinsam festlegen, wie viele solcher Puffersitzungen es geben soll.
Das heißt: Wenn die Krankenkasse die Psychotherapie bewilligt hat, können ein paar Sitzungen aus dem bewilligten Stundenkontingent offengelassen werden, um sie in den sechs Monaten nach dem eigentlichen Therapieende in Anspruch zu nehmen. So wie Annika es gemacht hat.
Über den Ernstfall sprechen
Die Psychologin und Therapeutin in Ausbildung bespricht in den letzten Sitzungen der Therapie auch eine Rückfallprophylaxe mit ihren Patient*innen. Darin geht es um Fragen wie:
- Wie kann ich meinen Alltag ohne Therapie strukturieren?
- Was hat mir in der Therapie geholfen und wie kann ich das in meinen Alltag einbauen?
- Was mache ich, wenn es mir wieder schlechter geht?
- Was sind Frühwarnzeichen, damit ich erkenne, dass mir eine weitere Psychotherapie helfen würde?
Du darfst dir immer Hilfe holen
Wichtig ist: Auch nach dem Ende einer Therapie sind wir nicht alleine. Wenn wir beobachten, dass wir Hilfe brauchen, gibt es Mittel und Wege, die auch zu bekommen. Neben den Puffersitzungen gibt es sogenannte Krisensitzungen, die auch von der Krankenkasse übernommen werden.
Es ist auch möglich, nach einer beendeten Therapie eine weitere Therapie anzufangen, die einen anderen Schwerpunkt hat. Zum Beispiel: Nach einer Verhaltenstherapie eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. So kann man eine Zweijahressperre umgehen, die nach dem Ende einer Therapie greift, wenn die Krankenkasse die Kosten getragen hat. Und dann gibt es noch Seelsorgeangebote, die wir nutzen können oder die Möglichkeit, in eine Klink zu gehen. Hier findet ihr erste Anlaufstellen.
Im Gespräch erklärt Psychologin Katharina Geier noch mehr darüber, welche unterschiedlichen Stundenkontingente die Krankenkasse für eine Psychotherapie bewilligt, wann Psychotherapeut*innen ein längeres Gutachten schreiben müssen und welche Möglichkeiten es gibt, wenn wir nach dem Ende der Therapie doch noch mal auf Hilfe zurückgreifen möchten. Klickt dafür oben auf den Play-Button.