PsychotherapieDas "innere Kind" in den Arm nehmen
Unser inneres Kind – damit sind die in unserem Gehirn gespeicherten Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen aus unserer eigenen Kindheit gemeint. Wir sollen dieses Kind nähren und trösten und in den Arm nehmen, lautet zumeist die Empfehlung. Wie wir achtsam mit unserem inneren Kind umgehen.
Auf der einen Seite ist das Ganze ein riesiger Hype, ein Buch zum Thema von Stefanie Stahl ist seit 2015 auf dem Markt und ungefähr genau so lange ein Bestseller. Andere wiederum machen sich darüber lustig und finden es absolut abwegig, mit ihrem inneren Kind zu sprechen.
Problem: Wirklich viele Studien zum inneren Kind, die eine breite Betrachtung ermöglichen würden, gibt es leider (noch) nicht.
Eine Metapher
Das innere Kind ist ein Modell für eine Betrachtungsweise innerer Erlebniswelten in der Psychotherapie – es ist also eine Metapher, ein Bild, eine Vorstellung: Wir stellen uns vor, dass wir als Kind verletzt wurden und das dieses verletzte Kind in Anteilen immer noch da ist, erklärt Main Huong Ngyen. Die Psychologin setzt die Metapher auch in ihrer Verhaltenstherapie ein.
Beim inneren Kind geht es aber nicht nur um den verletzlichen Anteil, sondern um alle Gefühle, die wir als Kind hatten – also nicht nur um Schmerz, Angst, Wut, Verlassenheit oder Traurigkeit, sondern auch um Glück, Freude oder Neugier zum Beispiel. Das erlebende innere Kind steht im Unterschied zum reflektierenden Erwachsenen.
"Es hilft oft, sich vorzustellen, dass wir als Kind verletzt wurden und dass dieses verletzte Kind in Anteilen immer noch da ist."
Ihren Patien*innen falle es mit diesem Bild leichter, an sich zu arbeiten. Deshalb sei dieser Ansatz auch so erfolgreich, glaubt Main Huong Ngyen.
Und wozu soll ich mit meinem inneren Kind arbeiten?
- Zunächst einmal können wir uns unseres inneren Kindes bewusst werden – heißt: anerkennen, dass es diese Erfahrungen gab und diesen verletzlichen Anteil nach wie vor gibt, sagt Main Huong Ngyen.
- Mit diesem Bewusstsein können wir unsere Sichtweise dann hinterfragen oder bestätigen. Wir können unsere damaligen Ziele und Bedürfnisse nach Liebe und Sicherheit verstehen: Damals war es okay, so zu reagieren und zu fühlen.
- Übertragen auf unser heutiges Leben, geht es darum, auslösende Situationen besser zu verstehen und dann adaptivere, angemessenere Reaktionen zu erlernen.
Methoden, um das hinzukriegen, können zum Beipsiel bestimmte Übungen sein, wir können aber auch lesen oder uns in die Stille zurückziehen.