Psychologin Susanne Bücker"Einsame Menschen haben häufig den Eindruck, sie seien schuld daran"
Über Einsamkeit reden wir nicht gerne. Dabei wäre das durchaus sinnvoll und notwendig, sagt die Psychologin Susanne Bücker. Sie erforscht, wie einsam wir uns in der Pandemie gefühlt haben und fühlen. Ein Ergebnis: Gerade jüngere Menschen leiden sehr.
Einsamkeit ist ein sehr subjektives Empfinden. "Wenn ich mich einsam fühle, dann bin ich auch einsam", sagt Susanne Bücker. Die promovierte Psychologin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Psychologische Methodenlehre an der Ruhr-Uni Bochum. "Uns ist wichtig, Einsamkeit und Alleinsein von der Definition her zu trennen", sagt sie. Jemand ist demnach allein, wenn keine andere Person bei ihm ist. Einsamkeit hingegen meint etwas anderes. "Einsamkeit in der Psychologie ist die Diskrepanz zwischen den Beziehungen, die ich mir wünsche und den Beziehungen, die ich tatsächlich habe", erklärt Susanne Bücker.
"Einsamkeit ist nicht schwarz oder weiß, sondern ein Kontinuum. Mit Schwankungen, die in gewissem Maße zum Leben dazu gehören."
Die Psychologin hat sich auf die Einsamkeits-Forschung spezialisiert und analysiert, wie einsam wir uns zum Beispiel in der Pandemie gefühlt haben. Per täglichem Fragebogen haben – gerade zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 – viele Menschen mitgemacht. Bis zu 6.000 haben täglich oder zumindest mehrmals die Woche einen Fragebogen ausgefüllt, der einer Art Tagebuch gleichkommt.
Die Teilnehmer*innen haben eingetragen, wie sie sich fühlen, ob jemand da war, an den sie sich haben wenden können, wie viele Kontakte sie hatten, wie sie diese erlebt haben oder auf welche kleineren Hindernisse sie im Alltag gestoßen sind (wie zum Beispiel eine verpasste S-Bahn). Aber auch, ob es größere Lebensveränderungen wie einen Umzug, eine Erkrankung oder eine Heirat gegeben hat.
Phasen der Einsamkeit
Die letzte Befragung hat im August 2021 stattgefunden, eine weitere Befragung ist für den Sommer 2022 geplant. Noch sind nicht alle Daten ausgewertet. Doch aus ihren bisherigen Analysen und auch aus anderen Daten zeigt sich: "Junge Menschen haben sehr stark unter den Einschränkungen der sozialen Beziehungen gelitten", sagt Bücker – jung bedeutet in diesem Fall zwischen 18 und 29 Jahre alt. Dabei wisse man mittlerweile, dass es grundsätzlich im Leben mehrere Phasen der Einsamkeit gäbe: im höheren Alter, dann etwa nach der Hälfte des Lebens und eben als junger Mensch. Bei älteren Menschen sei die Einsamkeit mittlerweile ganz gut erforscht. Krankheit und der Tod eines Partners würden häufig dazu führen, dass Menschen weniger am sozialen Leben teilnehmen können.
"Es ist eine Ressource, allein sein zu können."
"Man weiß aber nicht so viel darüber, warum sich junge Menschen einsam fühlen", sagt Susanne Bücker. Eine Überlegung sei, dass in diesen Jahren viele Anforderungen auf einmal auftreten würden. Man müsse Ausbildung oder Studium absolvieren, den ersten Job und eine eigene Wohnung finden. Hinzu würden Fragen rund um Partnerschaft und Familiengründung kommen. Soziale Beziehungen würden dann in den Hintergrund treten. Man könne also trotz vieler Verpflichtungen das Gefühl haben, einsam zu sein.
"Freundschaften sind allerdings kein Selbstläufer", sagt Bücker. "Grundsätzlich ist außerdem ein niedriger sozio-ökonomischer Status ein Risikofaktor für Einsamkeit", sagt Susanne Bücker. Arbeitslosigkeit sei schambesetzt, man ziehe sich also zurück: "Das ist dann häufig eine Ursache für Einsamkeitsgefühle."
"Jeder sollte sich mal fragen: Wer ist in meinem Umfeld, der sich einsam fühlen könnte."
Im Deep Talk spricht Susanne Bücker mit Sven Preger über die Einsamkeits-Forschung, warum Einsamkeit immer noch ein Tabu ist und was wir tun können, um vielleicht nach der Pandemie wieder aus dem Einsamkeitsgefühl herauszukommen.