Psychisch krankWie wir unsere Freunde unterstützen können
Nina fällt es zunehmend schwer, ihrer Freundin zu helfen, denn dieser geht es psychisch wirklich schlecht. Bastian Willenborg, Facharzt für Psychotherapie und Psychiatrie, erklärt, wie wir psychisch kranken Freunden beistehen können, ohne über unsere eigenen Grenzen zu gehen.
Ich bin immer für dich da – kaum ein anderer Satz steht mehr für Loyalität und Unterstützung. Doch was, wenn wir jemandem, für den wir da sein wollen, einfach nicht helfen können? Diese Erfahrung macht zurzeit Nina. Ihre Freundin und Arbeitskollegin ist psychisch krank.
Um Hilfe anzunehmen braucht es Problembewusstsein
Nina fühlt sich mit dem Problem ihrer Freundin alleine und zunehmend überfordert, denn die Hilfe und Unterstützung, die sie ihrer Freundin anbietet, nimmt diese nicht an oder weist sie zurück. Dabei wäre aus Ninas Sicht ein Klinikaufenthalt für die Freundin zwingend notwendig. Alleine wird und kann sie es nicht schaffen, davon ist Nina überzeugt.
"Sie hört sich meine Ratschläge an, doch dann sagt sie, dass man da eh nichts machen kann und dass es ihr schon reicht, dass ich ihr zuhöre."
Nina fühlt sich zerrissen, einerseits will sie ihrer Freundin beistehen, andererseits ist sie sich bewusst, dass sie sich abgrenzen muss. Dazu rät auch Ninas Therapeutin. Tatsächlich hat sich Nina bereits überwunden und ihrer Freundin gesagt, es könne so nicht weitergehen. Daraufhin folgte beiderseitige Funkstille.
"Den Kontakt abzubrechen kommt für mich nicht infrage, weil ich weiß, wie es ist, Unterstützung nicht annehmen zu können. Ich bin im Nachhinein heilfroh, dass meine Freunde damals vor der Tür standen und gesagt haben, wir machen das jetzt zusammen."
Der Unterschied zwischen freundschaftlicher und therapeutischer Hilfe
Wiederholt nachbohren, einer Freundin oder einem Freund regelmäßig signalisieren, dass man für sie oder ihn da ist, findet Bastian Willenborg, Facharzt für Psychotherapie und Psychiatrie, legitim.
Er empfiehlt, Dinge so anzusprechen, wie man sie wahrnimmt, also nicht zu sagen, du bist irgendwie komisch geworden, sondern: Ich nehme eine Veränderung an dir wahr und das macht mir Sorgen. Es könne auch hilfreich sein, die Sorgen um die gemeinsame Freundschaft klar zu formulieren.
"Wenn die Freund*in eine Lungenentzündung hätte, würde man auch nicht auf die Idee kommen, sie oder ihn selbst zu behandeln. Genauso ist es bei psychischen Erkrankungen."
Freundschaft heißt nicht, über die eigenen Grenzen zu gehen
Trotz der eigenen guten Intention und sensibel gewählter Worte gibt es eine Grundvoraussetzung, ohne die es laut Bastian Willenborg niemals gehen wird: die Bereitschaft der erkrankten Person, ihre oder seine Erkrankung anzunehmen und sich professionelle Hilfe zu suchen.
In Bezug auf die helfende Person plädiert Bastian Willenborg dafür, Grenzen zu ziehen und sich um sich selbst zu kümmern, wenn die Person sich nicht helfen lässt. Dazu gehöre es auch zu trauern – um die betroffene Person, ihr Leiden, aber womöglich auch um die Freundschaft.