Proteste in SpanienTourists go home?
In Barcelona und auf Mallorca haben viele Menschen keine Lust mehr auf Massentourismus. Deshalb gehen sie auf die Straße. Auch Carme ist genervt von vollen Plätzen und hohen Mieten. Doch sollten wir einfach wegbleiben und woanders hinreisen?
Mitten in der Urlaubssaison haben rund 20.000 Menschen auf Mallorca gegen Massentourismus demonstriert – darunter auch Carme, die auf der Insel geboren ist und dort auch lebt. Derzeit wohnt sie wieder bei ihren Eltern, weil die Mieten unbezahlbar seien. Diese betragen teils mehr als 80 Prozent, mitunter sogar das volle Monatsgehalt, sagt sie.
"Wir haben das Gefühl, hier keine Zukunft zu haben. Wir müssen woanders hingehen, obwohl wir hier geboren sind."
Unter den derzeitigen Bedienungen fehlt den Menschen, obwohl auf der Insel geboren, eine Perspektive. Was ihnen bleibt: Wie Studierende in WGs wohnen oder sie haben Glück und erben eine Wohnung oder ein Haus, so Carme.
Palma – Historisches Zentrum eine Souveniermeile
Sauer ist Carme dabei nicht auf den Tourismus an sich, sondern die Politik müsse sich ändern. Der Tourismus in der jetzigen Form sei an seine Grenzen gestoßen. Auf Mallorca kommen auf einen Einwohner knapp zwölf ausländische Touristen – die meisten davon aus Deutschland.
Zwar leben die Menschen auf Mallorca vom Tourismus, das aber nicht unbedingt gut. Vor allem in den Hotels und Bars ist die Bezahlung oft schlecht.
Steigende Wasserpreise auf Kosten der Einheimischen
Franka Welz ist Korrespondentin in Spanien und verfolgt die Diskussionen im Land. In Barcelona, sagt sie, wollten die Bewohnerinnen und Bewohner während der Coronapandemie ihr Tourismusmodell überdenken. Doch Pustekuchen: Mit Ende der Reise-Einschränkungen 2022 lagen im Hafen gleich wieder vier große Kreuzfahrtschiffe und die Touristenviertel waren voller denn je. "Da habe ich schon gedacht, dass kann es nicht sein", sagt sie.
"In Katalonien sind die Wasserpreise stark gestiegen. Die Einheimischen sagen: 'Ich zahle deinen Wasserverbrauch mit, lieber Tourist. Ich finde das nicht so cool.'"
In den Touristenhochburgen des Landes fürchten die Menschen durch Ferienvermietungen verdrängt zu werden, sagt Franka. Auch die Klimakrise wird zunehmend zum Problem. In Katalonien herrscht Wassermangel. Deshalb sind die Wasserpreise zuletzt stark gestiegen. "Die Einheimischen sagen: 'Ich zahle deinen Wasserverbrauch mit, lieber Tourist. Ich finde das nicht so cool'", so die Korrespondentin.
Overtourism – Die Wut wächst
Noch ist die Stimmung auf den Demos nicht aggressiv, doch die Wut der Menschen gegenüber dem Tourismus wächst, da es um existenzielle Fragen geht. So kann man in Barcelona in den Sportanlagen zwar Sport machen, aber oft nicht mehr duschen. Das greift schon sehr ins Leben der Menschen ein, meint Franka.
Auf den Demos sorgen sich normale Menschen um ihre Viertel, aber auch Umweltschützende um unberührte Naturgebiete, die von Hotelbauten bedroht sind. Jung und Alt sind dabei, sagt Franka. Viele Menschen fragen sich auch, warum die großen Tourismus-Einnahmen nicht in die Infrastruktur und medizinische Versorgung fließen und kaum den Einheimischen zugutekommen.
"Ich habe selten Leute gesehen, die so viel ackern und teils drei, vier Jobs haben, dum überhaupt über die Runden kommen"
Der Tourismus in Spanien hat einen kritischen Punkt überschritten und ist für Betroffene nicht mehr tragbar, sagt Franka. Mehrere wirtschaftliche Krisen haben das Land zusätzlich belastet. Das schöne Leben der Touristen steht im Kontrast zur harten Arbeit vieler Spanier. Sie arbeiten teils in drei bis vier Jobs, um über die Runden zu kommen, so die Korrespondentin.
Politik – keine schnellen Lösungen in Sicht
Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Spanien, was zu Konflikten führt. Die Politik tut sich schwer, schnelle und einfache Lösungen zu finden. Barcelona will bis 2028 keine neuen Lizenzen für Ferienwohnungen erteilen, um diese zu reduzieren. Dieser Prozess ist auf vier Jahre angelegt, so Franka.
"Die Inseln freuen sich, dass sie geliebt werden. Aber die Frage ist, wie viel Liebe halten diese Inseln noch aus?"
Ideen gibt es viele: Barcelona hat Übernachtungssteuern, die den Gemeinschaften zugutekommen sollen. Auf den Kanaren wird eine Umweltabgabe diskutiert. Mallorca reduziert die Bettenzahl für Touristen um 4 Prozent, die Beschränkungen für Kreuzfahrtschiffe sollen bestehen bleiben.
Doch die Politik steckt in einem Dilemma: Spanien hängt stark vom Tourismus ab, leidet aber unter seinen Nachteilen. Es gibt keine schnellen Lösungen. Beliebte Regionen wie die Inseln, freuen sich zwar, dass sie geliebt werden: "Aber die Frage ist, wieviel Liebe halten sie noch aus?", so Franka.