Nachtwache für eine sozialere GesellschaftSchlaflose Proteste in Paris
Diskutieren in der Pariser Nacht: Hunderte Franzosen machen das seit mehr als einer Woche, um etwas gegen ein rein kapitalistisches Denken zu unternehmen. Wird daraus eine neue Occupybewegung?
Nuit debout (etwa "Nacht im Stehen") so heißt eine Bewegung, bei der sich Menschen die Nächte in der französischen Hauptstadt um die Ohren schlagen. Rund 400 Menschen, diskutieren nachts öffentlich. Sie wollen die Gesellschaft verändern. DRadio-Wissen-Reporterin Isabel Heine war vor Ort am Place de la République.
Die neue Occupy-Bewegung?
Von der Dynamik erinnert es an die Occupybewegung, die an der New Yorker Wall Street startete oder an die Indignados ("Die Empörten") in Madrid. Basisdemokratisch wird abgestimmt, jeder wird gehört. Und so sitzen auf den Plätzen in der Stadt unterschiedliche Leute: Studenten, Schüler aber auch das 50-jährige Paar. Es gibt keine hierarchische Organisation, keine Chefs, keine Sprecher. Jeder, der will, hat drei Minuten Redezeit darüber, was ihn bewegt. Es geht um soziale, kapitalismuskritische Themen.
Angefangen hatten die Proteste durch eine geplante Änderung des Arbeitsrechts. Dadurch sollen Unternehmenschefs mehr Freiheiten bei der Befristung von Arbeitsverträgen erhalten, Arbeitszeiten verlängert werden. Nach einer Großdemonstration der Gewerkschaften am 31. März, blieben viele einfach auf dem Platz. Ihnen geht es längst nicht nur um den Gesetzesentwurf. Insofern sind die Protestierenden nicht von ersten Angeboten der französischen Regierung beeindruckt, etwa Stipendien für Schüler oder die Finanzierung von Azubis aufzustocken.
Viele Tage verliefen die Proteste friedlich, in der Nacht zum Montag kam es dann zu Ausschreitungen: Einige Aktivisten errichteten Blockaden. Die kleine Infrastuktur rund um den Platz aus Essensständen, Krankenstationen und Infoständen wurde von der Polizei geräumt. In der folgenden Nacht blieb es wieder ruhig.
"Es gibt jedoch keine konkrete Forderung", sagt DRadio-Wissen-Reporterin Isabel Heine. Es ist eher der Drang, etwas gegen ein allgemeines Unbehagen und das Gefühl zu tun, von der Regierung nicht gehört zu werden. Auch in anderen Städten hat es bereits Nuit-Debout-Versammlungen gegeben.