Proteste im IranWie eine Exil-Iranerin die Eskalation erlebt
Das iranische Regime lässt die Auseinandersetzung mit den Protestierenden eskalieren: Zwei Männer sind bereits hingerichtet worden, weitere Urteile sollen vollstreckt werden. Die Iranerin Mina Salehpour ist im Alter von zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Die Theaterregisseurin verfolgt die Lage in ihrer Heimat mit großer Sorge.
Im Iran sind inzwischen zwei Männer hingerichtet worden, beide erst 23 Jahre alt. Madschid-Resa Rahnaward soll während der Proteste im Iran zwei Mitglieder der Basidsch-Miliz getötet haben. Und der Rapper Mohsen Schekari soll ein Basidsch-Mitglied mit einer Waffe angegriffen haben. Unter anderem Amnesty International wirft dem Iran Schauprozesse vor.
Wie schauen Iraner*innen im Ausland auf ihr Land und auf die Einschüchterungsversuche des Regimes? Mina Salehpour lebt in Deutschland, seit sie zehn Jahre alt ist. Die Exil-Iranerin arbeitet als Theaterregisseurin in Düsseldorf.
Nur dieses eine Thema: Iran
Jeden Morgen schaut sie als erstes auf ihr Handy und checkt über verschiedene internationale Kanäle die Nachrichtenlage, erzählt sie im Interview. Wenn sie bei Instagram einen ihrer Meinung nach wichtigen Post findet, teilt sie ihn. Sie schaut sich die Tagesschau an und die deutsche Presse, genauso wie die persischen Nachrichten, erzählt sie uns.
Anschließend geht sie zur Probe und spricht auch dort mit den Leuten über das, was sie gelesen hat und was sie bewegt, schildert sie weiter. Danach: Anrufe mit der Familie, mit Freunden, mit anderen Theatern, ob und was man tun kann. Und dann ist schon die Abendprobe. Seit Wochen gehe das schon so.
"Ein Schauspielkollege von uns steht auch auf dieser Liste und soll hingerichtet werden."
Die erneute Hinrichtung eines Iraners, die von Madschid-Resa Rahnaward, habe bei ihr Wut ausgelöst. Über ihre Social-Media-Kanäle habe sie versucht, mit den Theatern in Deutschland und mit Kolleg*innen in Kontakt zu kommen, um eine Aktion zu planen. Es geht um einen speziellen Fall, der sie besonders mitnimmt: Ein Schauspielkollege von ihr steht nämlich auch auf der Liste und soll hingerichtet werden, erklärt sie.
"Aufstehen und weitermachen"
Bis jetzt sei er verschont geblieben. Doch abends gehe sie nervös ins Bett. Am nächsten Tag müsse man dann "einfach aufstehen und weitermachen". So schwer es auch ist.
"Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit. Das sind die Gefühle, die jetzt schon seit Monaten bei allen toben."
Manche Menschen resignieren – weil selbst diplomatischer Druck nicht mehr viel bewirken kann, wenn das Regime knallhart durchzieht, was es will. Ihr Eindruck sei jedoch ein anderer, sagt Mina Salehpour. Und sie fühle auch genau das Gegenteil: Oppositionelle in der ausländischen Diaspora - in den USA, Kanada und europäischen Ländern – würden berichten, dass sie nicht ans Aufgaben denken, sondern ihre Arbeit fortsetzen. Und dass das Regime in Teheran deshalb zu solchen brachialen Methoden greift, weil es mit dem Rücken zur Wand stehe.
"Oppositionelle im Ausland berichten, dass das Regime in Teheran deshalb zu solchen Maßnahmen greift, weil es mit dem Rücken zur Wand steht."
Das Thema sei in den deutschen Medien und im deutschen Bewusstsein präsent, nicht nur in der Kulturlandschaft. Selbst beim Zahnarzt sei sie darauf angesprochen worden, weil ihr Name offenbar einen iranischen Hintergrund vermuten ließ.
Keine Resignation
Mina Salehpour glaubt, dass von Resignation keine Rede sein kann. Die Demonstrationen auf den Straßen im Iran seien in den letzten Tagen allerdings zurückhaltender geworden. Das sei verständlich, denn Trauer und Angst seien sehr groß. Das bedeute aber eben "nicht, dass die Revolution jetzt irgendwie abebbt". Im Gegenteil, sie wird sich noch mehrfach zurückziehen und dann nach vorne kommen, glaubt sie. Sie ist sich sicher, dass sich die Bewegung nicht mehr aufhalten lässt.
"Ich halte diese Bewegung für nicht mehr aufhaltbar – heute oder morgen oder in einem Jahr."
Von der deutschen Regierung erwartet Mina Salehpour nicht nur klare Worte und Haltung. Sie erwartet striktes Handeln – konkret, dass die diplomatischen Beziehungen beendet werden und die deutsche Botschaft im Iran schließt.
Von der US-Regierung erhofft sie sich, dass das Wort "Atomabkommen" im Zusammenhang mit dem amtierenden Regime in Teheran nicht mehr in den Mund genommen wird. Das sei sinnlos und sollte nicht mehr in Betracht gezogen werden.