Konfliktforscher Tareq Sydiq"Einige Menschen in Machtpositionen im Iran sind gerade sehr nervös"
Für das Regime im Iran könnte es gefährlich werden, sagt der Konfliktforscher Tareq Sydiq. Er sieht eine breite Unterstützung für die aktuellen Proteste. Wie groß diese wirklich sind, sei aber kaum zu ermitteln.
Seit dem Tod von Mahsa Jina Amini am 16. September im iranischen Polizeigewahrsam gibt es vermehrt Proteste gegen das Regime. Tareq Sydiq vom Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg sagt: Die Proteste sind aktuell breiter aufgestellt als früher, sie hat es aber schon immer gegeben.
Tareq Sydiq versucht die Protestbewegungen im Iran zu analysieren, was aber relativ schwierig sei, weil es wenige Daten gibt. Seiner Einschätzung nach sind die Protestbewegungen und die Unzufriedenheit mit dem Regime inzwischen so groß geworden, dass es für die Mächtigen im Iran gefährlich werden kann.
Er sagt: "Das Regime ist auf Basis einer Massenunterstützung gegründet worden. Die Unterstützung hat aber immer weiter abgenommen." Er würde zudem davon ausgehen, dass die Proteste einen breiten Rückhalt in der Gesellschaft haben.
Potenzial, vorhandene Wut zu verschärfen
Inwiefern der Tod von Mahsa Amini sowie aktuell der Großbrand im Ewin-Gefängnis zur Ausweitung der Proteste und gegebenenfalls sogar zum Sturz des Regimes führen könnte, ist laut Tareq Sydiq nur schwer zu prognostizieren.
Einerseits könnten diese Ereignisse die Wut, die es schon gibt, verschärfen – vor allem, wenn sich herausstellen sollte, dass es zu Massengewalt gegen die Gefangenen gekommen ist. Andererseits könnten sie auch einschüchternd wirken.
"Man sollte die Effekte internationaler Sanktionen nicht überschätzen."
Die EU-Außenminister haben am 17. Oktober neue Sanktionen gegen das iranische Regime und gegen die Sittenpolizei des Landes verhängt. In gewisser Weise könnten solche Sanktionen eine Wirkung zeigen, etwa bei Menschen in niedrigen Rängen des iranischen Regimes. Sie könnten sich isoliert fühlen und für sich prüfen, wie sinnvoll eine weitere Unterstützung des Regimes ist.
Insgesamt sieht der Konfliktforscher Tareq Sydiq die Wirkung internationaler Sanktionen aber als relativ gering an. "Das Entscheidende ist aber, wie die Mobilisierung aufrecht erhalten werden kann. Die Proteste werden vor Ort entschieden."