Prostitution"Ich bin eine Hure"

Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen spricht sich für die Leitlinie von Amnesty International zur Legalisierung von Prostitution aus. Denn dort, wo Prostitution verboten ist, sei die Situation für die Frauen extrem schlecht.

Johanna Weber arbeitet seit ihrer Studienzeit als Sexarbeiterin. Mit dem Job hat sie ihr Studium finanziert. Sie ist Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V., der 2013 in Köln gegründet wurde. Johanna findet es von Amnesty International mutig, offen die Probleme in der Branche zu identifizieren. "Deshalb finden wir diese Leitlinie ganz wunderbar," sagt Johanna.

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"Viele Leute verstehen die Entscheidung von Amnesty falsch," erklärt die Sprecherin. Ziel der Leitlinie sei es, die Sexarbeit zu entkriminalisieren. Für Menschen, die sich nicht mit Sexarbeit beschäftigt haben, klinge das, also ob Amnesty Straffreiheit für Zuhälter wolle und dadurch das Leid für die Frauen noch größer werde. Tatsächlich habe sich Amnesty zwei Jahre lang intensiv mit dem Thema beschäftigt.

"In allen Ländern, wo die Prostitution verboten ist, findet sie trotzdem statt, und die Situation für die Frauen ist extrem schlecht."
Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V.

Dabei habe die Menschenrechtsorganisation festgestellt, dass Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Ländern, wo Prostitution verboten ist, keine Rechte hätten. Ihre Arbeit ist straffällig, so dass sie nur verdeckt arbeiten. Sie können nicht zu Polizei gehen und Kunden anzeigen, die sich nicht an Vereinbarungen halten - weil sie ja selbst etwas Verbotenes machen. Sie können nicht mit anderen Frauen in einem Bordell arbeiten, sondern nur heimlich zu Hause oder im Wald ohne jeglichen Schutz. "Die Situation ist unerträglich in diesen Ländern," fasst Johanna zusammen.

"Wir müssen die Frauen, die in der Branche arbeiten, aufklären und stark machen. Sie müssen ihre Rechte kennen."
Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V.

Mit der Leitlinie wolle Amnesty die Rechte für diese Frauen stärken. "Es geht um die Situation der Frauen, Männer und Transsexuellen in der Sexarbeit", erklärt Johanna. Die Leitlinie der Organisation wolle nicht, dass Zuhälter oder Menschenhändler straffrei ausgehen. Für diese Kriminellen gebe es bereits bestehende Gesetze.

"Ich habe überhaupt kein Problem damit zu sagen: Ich bin Prostituierte. Ich nenne mich sogar auch Hure."
Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V.

Viele Kolleginnen würden den Begriff Prostituierte ablehnen. "Es findet eine gewisse Selbst-Stigmatisierung in unserer Branche statt," erklärt die Sexarbeiterin. Der Begriff "Prostituierte" sei eindeutig negativ belegt in unserer Gesellschaft. Und "Sexarbeiterin" sei vielen zu akademisch. Der Begriff leitet sich vom Englischen "sex work" ab. Besser wäre eigentlich "sexuelle Dienstleisterin" - das sei aber zu lang, sagt Johanna.

Menschenhandel stoppen

Johanna hat sich während ihrer Studienzeit in Hamburg bei einem Escort-Service beworben. Die Abläufe, Beschäftigung und Bezahlung wären sehr klar gewesen. "Ich habe beim ersten Kunden gemerkt, das liegt mir. Ich kann tatsächlich eine sexuelle Dienstleistung mit wildfremden Menschen haben und ich kann das gut finden."

"Bei mir liegt so ein gewisser Rotlicht-Fetisch vor: Ich finde es abenteuerlich. Es hat mich immer gereizt. Ich wollte wissen, wie es ist."
Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V.

Zwang hat Johanna eher dann empfunden, wenn sie am Ende eines Monats noch nicht genug verdient hatte - und dementsprechend dann einen weiteren Tag lang ihre Dienstleistung anbieten musste. Im Grunde genommen eine Situation, die alle Freien und Selbstständigen kennen.

Weniger Kohle

Früher hätte man mit dem Job mehr Geld verdienen können, erklärt die Prostituierte. Heute müsste sich jeder darüber im Klaren sein, dass man viele Marketing-Fähigkeiten mitbringen muss. "Auf dem Straßenstrich gehen die Frauen mit drei Kunden nach Hause, wenn es gut läuft." Meist würden sich die Frauen aber die Beine in den Bauch stehen.

"Einfach nur gut aussehen und sich hinsetzten, reicht heute nicht mehr aus."
Johanna Weber, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V.

Johanna stellt klar, dass nicht hinter jeder Sexarbeiterin ein Zuhälter stehe, der abkassiert. Manche Frauen sehen das auch als gemeinsames Projekt mit ihrem Partner an. Doch die Grenze zur Zuhälterei sei fließend. "Ich finde es nicht legitim, dass unsere Branche immer wieder herunter gebrochen wird auf diese Missstände."

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