"Populisbarometer 2020"Weniger Menschen als früher sind populistisch eingestellt
Deutlich weniger Menschen als noch vor zwei Jahren stimmen populistischen Aussagen zu – weil die Regierung "verlässlich handelt" und wenige Flüchtlinge ins Land lässt.
Die Bertelsmannstiftung und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung untersuchen mit ihrem Populismusbarometer regelmäßig, wie verbreitet populisitsche Einstellungen in Deutschland sind.
Zahlen des "Populisbarometers 2020" zeigen: Aktuell sind 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger populistisch eingestellt. Vor zwei Jahren waren es noch rund 30 Prozent. Der Anteil nichtpopulistischer Bürgerinnen und Bürger ist deutlich größer geworden.
"Gerade die politische Mitte zeigt sich in der Auseinandersetzung mit der populistischen Versuchung als lernfähig."
Die Forschenden definieren Populismus als eine Idee von Demokratie, in der es einen einheitlichen Volkswillen gibt. Klassische Politiker werden grundsätzlich eher negativ gesehen – sie gelten als korrupt und sind tendenziell nur am eigenen Fortkommen interessiert. Der politische Kompromiss gilt Populisten der Definition nach als Verrat an der eigenen Idee oder als Schwäche.
Ob jemand diese Einstellungen teilt, haben die Forschenden mit einem Fragenkatalog überprüft. Als "populistisch eingestellt" im Sinne der Studie gilt, wer acht typisch populistischen Aussagen über das Funktionieren von Staat und Gesellschaft zugestimmt hat. Die Umfrage fand im Juni 2020 statt, 10.000 Wahlberechtigte haben mitgemacht, die Ergebnisse sind repräsentativ.
Vertrauen erzeugt während Corona-Pandemie
Die Forschenden begründen den hohen Populismuswert vor zwei Jahren vor allem mit der Zuwanderung seit 2015. Dann hätte eine erfolgreiche Gegenmobilisierung durch die politische Mitte stattgefunden. Hinzu komme ein verbessertes Regierungshandeln.
Die Studienautoren Robert Vehrkampf (Bertelsmann-Stiftung) und Wolfgang Merkel (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) sprechen von "verbesserter und inklusiverer Regierungsarbeit", von "gutem, verlässlichen Regierungshandeln" und einer "restriktiven Migrationspolitik, die die Mobilisierungskraft der Migrations- und Flüchtlingsfrage geschwächt hat".
Laut Studie trägt die Coronakrise einen Teil zum schwindenden Populismus bei; die Politik hätte hier Vertrauen erzeugen können. Weniger wird er aber schon seit Anfang 2019.
"Es steigt die Gefahr einer Radikalisierung der verbleibenden Populisten am rechten Rand. Erstes Anzeichen dafür ist ihre zunehmende Überlappung und Verschmelzung mit rechtsextremistischen Einstellungen. Das betrifft vor allem die AfD."
Vor allem die Unionsparteien könnten bei der nächsten Bundestagswahl profitieren, sagen die Autoren der Studie – aber auch die Grünen. Sie seien grundsätzlich als antipopulistische Partei einzustufen.
Dass generell weniger Menschen populistisch eingestellt sind, könne außerdem dazu führen, dass sich die verbliebenen populistischen Parteien stärker radikalisieren. Ein besonderes Potenzial sehen die Studienautoren bei der AfD.