PopmusikSimplere Melodien, aber nicht unbedingt schlechtere Musik

Popmusik ist simpler geworden – zumindest was die Melodien betrifft. Das sagen Forschende aus England. Sie haben die Top-Hits der letzten 75 Jahre analysiert. Das Ergebnis ist gemischt.

Wissenschaftler der Queen Mary University of London haben die Top-5-Hits der Jahre 1950 bis 2022 der US-Billboard-Single-Charts analysiert.

Das Ergebnis: Während die Melodien einfacher geworden sind, ist die Musik an anderen Stellen herausfordernder geworden. Das Tempo hat beispielsweise zugenommen, erklärt Aglaia Dane aus den Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten.

Die Komplexität der Musik von 1950 bis 2022

"Too Young" vom US-Jazzsänger Nat King Cole aus dem Jahr 1950 ist ein Beispiel für eher komplexere Melodien.

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Die Musik zeichnet sich zum einen durch die Vielfalt der Töne aus. Dann sind die Intervalle, die Sprünge zwischen den Tönen, groß, erklärt Aglaia Dane. Nat King Cole springt in seinen Tönen von tief bis hoch.

"Es gibt ja Songs, da wird überwiegend auf einem Ton gesungen. Das ist hier bei Nat King Cole anders – da geht es von tief bis hoch."
Aglaia Dana, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten

Verschiedene Elemente spielen für die Komplexität eines Stücks eine Rolle: Wie viele Töne werden innerhalb eines Takts oder innerhalb einer bestimmten Zeit gespielt bzw. gesungen? Wie variabel sind die Längen der Töne? Das ist für den Rhythmus eines Stücks sehr wichtig, erklärt Aglaia Dane. Genau diese Aspekte sind laut den Forschenden heute simpler geworden. Große Wendepunkte gibt es in den Jahren 1975 und 2000.

Einer der Top-Hits aus dem Jahr 1975 ist "Love will keep us together" von Captain & Tennille. Mitte der 70er war die Zeit von New Wave, Disco oder Stadion Rock. Es gibt weniger komplexe Tonfolgen, weniger Intervalle – aber dafür, sagen die Forschenden, sind Songs dichter und schneller geworden, erklärt Aglaia. Es gibt mehr Töne in einer bestimmten Zeit. Rockige Sounds und Synthesizer haben sich durchgesetzt und es gibt auch mehr Up-Tempo-Nummern.

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Beim nächsten Wendepunkt um das Jahr 2000 haben sich digitale Audio-Workstations durchgesetzt – also eine Software, mit der Musiker*innen Beats und Melodien mit virtuellen Instrumenten und Audio-Loops kreieren können.

Die Popularität von Hiphop - eine Musikrichtung, dessen Fokus auf dem Wort, Beat und der Schnelligkeit liegt, ist ein weiterer Grund für simpler werdende Melodien. Ein typisches Musikbeispiel aus der Zeit ist "Let's get married" von Jagged Edge.

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Die Studie ging bis ins Jahr 2022. Ein Top-Hit ist "Kill Bill" von SZA.

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Die Forschenden sagen, die Musik ist nicht insgesamt simpler geworden. Bei den Melodien ist das zwar der Fall, aber es gibt heute mehr Tempo und mehr Dichte in den Tönen. Das bedingt sich möglicherweise auch, weil die Musik auch nicht überfrachtet klingen soll. Melodien wurden reduziert, dafür gibt es heute neue Sounds und vielfältigere Klänge.