Demos gegen PolizeigewaltPolitikwissenschaftler: Trump will Ausschreitungen und Plünderungen instrumentalisieren
Es herrscht Ausnahmezustand in den USA. In einigen Städten eskalieren Proteste, die Polizei geht teilweise hart gegen Demonstrierende vor. Präsident Donald Trump versucht, die Situation für sich zu nutzen, sagt der Politikwissenschaftler Thomas Jäger.
In den vergangenen Tagen sind in den USA immer wieder Tausende von Menschen auf die Straßen gegangen. Sie protestieren gegen Rassismus und Polizeigewalt, nachdem der Schwarze George Floyd von einem weißen Polizisten getötet wurde. Auf Twitter gehen Videos von anlassloser Polizeibrutalität, Plünderungen, eskalierenden Beamten und Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten viral.
Aber es gibt auch Szenen, in denen sich Demonstrierende schützend vor versprengte Polizeikräfte stellen oder Polizei und Protestierende gemeinsam trauern oder sich umarmen.
Überwiegend friedliche Proteste
"Die Mehrheit der Demonstrationen, die es am Abend in den USA gegeben hat, waren friedlich", erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Aglaia Dane. In Minneapolis, an der Stelle wo George Floyd starb, legten hunderte Menschen Blumen nieder und malten Trauer-Botschaften auf die Straße.
"Die Mehrheit der Demonstrationen, die es am Abend in den USA gegeben hat, waren friedlich."
Präsident Donald Trump fordert eine Wiederherstellung von Recht und Ordnung und sagt: In vielen US-Bundesstaaten würden die Gouverneure nicht genug tun, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Deshalb wolle er jetzt alle zivilen und militärischen Kräfte mobilisieren, um die Probleme zu lösen.
Thomas Jäger: Trumps Politik polarisiert
Das kommt in den demokratisch regierten Bundesstaaten nicht gut an: Der Gouverneur von Nevada sagt zum Beispiel, dass Trump damit rassistische Spannungen schüre und eine größere Spaltung der Gesellschaft provoziere – in einer Situation, in der das Land Einheit brauche. Das aktuelle Geschehen ist eine Folge von Trumps polarisierender Politik, urteilt Thomas Jäger, Politikwissenschaftler an der Universität Köln.
"Was wir jetzt erleben, ist die Saat, die aufgeht, die Trump wesentlich mit befördert hat: Nämlich die enorme Polarisierung in den Vereinigen Staaten."
Die aktuelle Situation, ist ein gewaltiges Problem für Donald Trump, sagt Thomas Jäger. Denn die USA erschüttern nicht nur die Proteste nach dem Tod von George Floyd: Auch 40 Millionen Arbeitslose und mehr als 100.000 Tote während der Corona-Pandemie setzen den Vereinigten Staaten und ihren Präsidenten zu. Und im November stehen die Präsidentschaftswahlen in den USA an. Darum suche Trump nach einer Möglichkeit, den Wahlkampf irgendwie zu gewinnen.
Erst habe Trump versucht, mit wirtschaftlicher Stärke zu punkten, erklärt Thomas Jäger. Doch mit 40 Millionen Arbeitslosen auch durch die Corona-Pandemie würde das nicht mehr funktionieren. Die Suche nach einem Feindbild von außen – China – sei ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt. Denn je mehr Trump China verärgere, umso länger würde die Wirtschaft schwächeln.
"Trump nutzt die Gelegenheit, tiefer zu spalten."
Nun also die Proteste. Trump nutzt jetzt die Gelegenheit, die Gesellschaft noch weiter zu spalten, erklärt der Politikwissenschaftler. Kein Wort zur schwarzen Community, kein Wort zu den Problemen in der Polizei, kein Wort zum Rassismus in den USA. Das zeige Wirkung: "Die Vereinigten Staaten bekommen gerade die Quittung für Jahrzehnte, die sie eben nicht die Gesellschaft integriert, sondern immer weiter auseinander getrieben haben."
Unruhen nicht neu, Reaktion darauf schon
Es sind derzeit nicht die ersten massiven Unruhen und Proteste in den USA: Zum Beispiel gab es 1991 Ausschreitungen in Los Angeles mit mehr als 50 Toten, auch in den 2000ern unter Präsident Barack Obama gab es vergleichbare Situationen.
Der große Unterschied zu heute: "Damals hat man das Gefühl gehabt, dass der Präsident das aufnimmt, versteht und versucht, etwas zu ändern", sagt Thomas Jäger, "und nun haben wir im Weißen Haus einen, der das noch befördert." So sei die Situation noch auf dem Weg zum schlechteren.
Keine Lösung in Sicht
Eine gute Lösung sieht Politikwissenschaftler Thomas Jäger derzeit nicht. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden übernehme auch keine vereinende Rolle. Jäger: "Solange die Polizei mit Gewalt vorgeht und der Protest kein Gesicht und nicht eine Stimme hat, wird es ganz schwer sein, hier einen produktiven Ausgang zu finden." Eine solche Stimme sei aber nicht in Sicht.