Bundestagswahlkampf"An Frauen in der Politik werden andere Maßstäbe gesetzt"
Annalena Baerbock hat es im Wahlkampf besonders schwer, sagt Natascha Strobl. Für Frauen gebe es andere Maßstäbe. Die Politologin fühlt sich an den US-Präsidentschaftswahlkampf erinnert.
Nachgemeldete Nebeneinkünfte, Glättungen im Lebenslauf und Textübernahmen für ihr Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern": Eine Reihe geringfügiger Vorwürfe gegen die Politikerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) bleiben an der Kanzlerkandidatin haften, als wären sie schwerwiegend. Für schwerwiegend hält die Politologin Natascha Strobl die Skandale von Olaf Scholz (SPD) – Cum-Ex, Warburg-Bank und Wirecard – und Armin Laschet (CDU) – Maskenaffäre. Olaf Scholz selbst hält die Vorwürfe gegenüber Annalena Baerbock für übertrieben. Er kritisiert allgemeiner den Umgang mit Politikerinnen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hingegen widerspricht. Für ihn gehört das zum ganz normalen Bundestagswahlkampf.
Polarisierung vergleichbar mit dem US-Wahlkampf
Nein, sie glaubt nicht, dass das ein ganz normaler Bundestagswahlkampf ist, sagt Natascha Strobl. Für sie ist der Umgang mit den Verfehlungen von Annalena Baerbock vielmehr eine Art von Polarisierung, die nun nach der langen Stabilitätsphase mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im deutschen Wahlkampf ankommt. Diese Polarisierung sei auch im US-Präsidentschaftswahlkampf zu beobachten gewesen, in der Regierungspraxis des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz und im Zusammenhang mit der Abstimmung über den Brexit in Großbritannien.
"Ich glaube, wir sehen in Deutschland den Beginn eines ganz neuen Wahlkampfs auch unter Eindruck der Wahlkämpfe von Donald Trump."
Es zeichne sich eine allgemeine Zuspitzung, eine Polarisierung ab. Das zeigten die Themen, Memes und die Proklamation der Wahl als Richtungsentscheidung durch Annalena Baerbocks politische Gegnerschaft.
"Das sind Narrative, die wir im US-Wahlkampf gesehen haben."
Natascha Strobl fühlt sich an die abstrusen Vorwürfe gegen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton erinnert. Durch die Emotionalisierung bleibe das ungute Gefühl, Annalena Baerbock habe persönlich und gezielt gelogen. Grundsätzlich werde diese Emotionalität, dieser Effekt in der Öffentlichkeit höher bewertet. Hinzu komme auch, dass bei Frauen in der Politik andere Maßstäbe angesetzt werden, sagt Natascha Strobl.
Auf die Hartnäckigkeit dieser emotional vorgetragenen Vorwürfe seien Annalena Baerbock und ihr Team offenbar nicht vorbereitet gewesen. Sie hätten diese nicht parieren können. "Man darf nicht naiv sein im Wahlkampf. Man muss alles absuchen, alles abgrasen, was einem zum Verhängnis werden könnte", sagt Strobl. Im Wahlkampf gehe es nicht um Gerechtigkeit.
"Gerechtigkeit ist keine Kategorie in der Politik und besonders nicht in einem Wahlkampf."