Politischer SprachgebrauchDefensivwaffen, die genau genommen keine sind
Sollte Deutschland Defensivwaffen an die Ukraine liefern oder nicht? Politikerinnen und Politiker haben dazu unterschiedliche Ansichten. Dass es Defensivwaffen der Definition nach gar nicht gibt, spielt in der Diskussion eine wichtige Rolle. Weshalb es sich bei der Bezeichnung Defensivwaffen um einen politischen Begriff handelt, erläutert Alfred Schmit aus dem DLF-Hauptstadtstudio.
Bei ihrem Antrittsbesuch in Kiew hat Außenministerin Annalena Baerbock klare Worte zum Konflikt zwischen der Nato und Russland gefunden. Sie hat aber auch Erwartungen der ukrainischen Regierungen in Bezug auf Waffenlieferung gedämpft. Dabei ging es in erster Linie um Defensivwaffen, die beispielsweise zur Abwehr von Panzern, zur Luftabwehr und zur Aufklärung eingesetzt werden.
Politikerinnen und Politker uneins, was Defensivwaffen betrifft
Deutsche Politikerinnen und Politiker sind sich in dieser Frage uneins. Der Grünen-Chef Robert Habeck hatte schon vor einer Weile öffentlich dafür plädiert, möglicherweise doch zu erlauben, Defensivwaffen in die Ukraine zu liefern. Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock sprechen sich dagegen aus. Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ist wiederum dafür.
"Defensivwaffen gibt es eigentlich nur als politischen Begriff, denn eigentlich gibt es keine Defensivwaffen. Das hat sogar der wissenschaftliche Dienst des Bundestages auf Anfrage so beantwortet."
"Eine allgemeine Definition, was darunter verstanden werden muss, existiert nicht", zitiert Alfred Schmit den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages.
Der Bundessicherheitsrat, ein Gremium, das es seit 1955 gibt, entscheidet letztlich darüber, ob Defensivwaffen an die Ukraine geliefert werden dürfen. Bei diesem Kontroll- und Koordinationsgremium handelt es sich um einen Ausschuss des Kabinetts, also der Regierungsmitglieder, sagt Alfred Schmit.
Deutschland genehmigte 2021 so viele Rüstungsexporte wie noch nie
Im vergangenen Jahr wurden so viele Rüstungsexporte wie noch nie genehmigt. Ein großer Teil der 9,5 Milliarden teuren Exporte wurde an Ägypten geliefert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie es möglich ist, dass an Ägypten geliefert werden darf, während eine Waffenlieferung in die Ukraine von einem großen Teil der Politikerinnen und Politiker nicht befürwortet wird.
"Waffenlieferungen nach Ägypten sind überhaupt nicht easy und ok. Sie wurden in den letzten neun Amtstagen der alten Bunderegierung durchgewinkt und sind sehr umstritten."
Die Lieferungen nach Ägypten seien in dreifacher Hinsicht sehr umstritten und wurden von der Opposition scharf kritisiert. Die Verstrickungen Ägyptens in die Konflikte in Libyen und im Jemen sowie die Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land seien Gründe, die die Entscheidung, Waffen an das Land zu liefern, als sehr fragwürdig erscheinen lassen.
Zudem seien diese Entscheidungen "im Windschatten der Sondierungsgespräche" der neuen Koalition gefällt worden. Das sorgte auch für scharfe Kritik aus den Reihen der damaligen Opposition, weil eine geschäftsführende Bundesregierung, die kurz davor ist, aus dem Amt zu gehen, nicht so weitreichende politische Entscheidungen treffen sollte. "Das fanden viele im Parlament nicht ok, konnten es aber nicht mehr verhindern", ergänzt Alfred Schmit.
Parteinahme und Widerspruch zu Grundsätzen des Koalitionsvertrags
Schon der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition schließe Waffenlieferungen an Kriegs- und Krisengebiete aus, erklärt der Hauptstadt-Korrespondent. Außerdem sei darin festgehalten, dass stabile Beziehungen mit Russland gewünscht seien. Mit diesen beiden Punkten wäre eine Lieferung von sogenannten Defensivwaffen in die Ukraine unvereinbar, meint Alfred Schmit.
Zum einen könnte man der Regierung dann vorwerfen, dass sie sich nicht an ihre – im Koalitionsvertrag festgeschriebenen – Grundsätze hält. Zum anderen könnte eine Waffenlieferung an die Ukraine als Parteinahme im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gedeutet werden. Das könnte die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sehr belasten, vermutet Alfred Schmit.
"Eine Panzerfaust mag eine Abwehrwaffe sein, also Defensivabwehr, aber in dem Moment, in dem man sie nutzt, um etwas anzugreifen, ist sie ja eine Angriffswaffe. Das würde auch niemand bestreiten."